"Alles andere wäre demokratiepolitisch absurd." Die Vorwürfe gegen Kurz, der ÖVP-Parteiobmann bleibt und zudem die Fraktion der Konservativen im Parlament anführen wird, bezeichnete er als falsch. "Das Land braucht jetzt Verantwortung und Stabilität", sagte der 52-Jährige Jurist und fand damit exakt die gleichen Worte wie Kurz bei seinem Rücktritt am Samstag.
Von der Opposition kam prompt Kritik. "Das klingt für mich nicht nach einem Neustart", sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Schon im Vorfeld erklärte die Opposition - die sozialdemokratische SPÖ, die rechtspopulistische FPÖ und die liberalen Neos - Kurz werde im Hintergrund weiter die Fäden ziehen. "Er ist zwar nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler der Republik Österreich", sagte die Vorsitzende der Sozialdemokraten (SPÖ), Pamela Rendi-Wagner. Kurz konterte: "Ich bin kein Schattenkanzler", teilte er via Twitter mit. "Ich werde jedenfalls in meiner Funktion als Bundesparteiobmann und Klubobmann die Arbeit der Bundesregierung unterstützen, weil es das Beste für die Menschen in unserem Land ist."
Schallenberg, der bisher Außenminister war, bezeichnete den Wechsel ins Kanzleramt als "große Ehre, die ich mir nie erwartet und nie erwünscht habe". Bundespräsident Alexander Van der Bellen zufolge bringt Schallenberg die besten Voraussetzung für das Amt mit. "Als Spitzendiplomat und Außenminister wissen Sie genau, wie man die gegensätzlichsten Positionen auf einen gemeinsamen Nenner bringt", sagte das Staatsoberhaupt bei der Vereidigung in der Wiener Hofburg.
DIPLOMAT ÜBERNIMMT KANZLERPOSTEN
Schallenberg ist im schweizerischen Bern geboren und entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Der Botschafter-Sohn trat nach seinem Studium 1997 ins Außenministerium ein und leitete wenige später für einige Jahre die Rechtsabteilung der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel. Nach seiner Rückkehr nach Wien wurde er Pressesprecher der früheren Außenministerin Ursula Plassnik sowie von deren Nachfolger Michael Spindelegger. Das Amt des Außenministers hatte er schon in einer vorübergehenden Beamtenregierung ab Juni 2019 nach dem Ibiza-Skandal inne. Nach der Wahl Januar 2020 wurde er erneut Außenminister. Schallenberg vertritt ebenso wie Kurz einen harten Migrationskurs. Nach der Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos lehnte er im Gegensatz zu anderen EU-Ländern eine Aufnahme von Migranten strikt ab.
Die Regierungskrise wurde vom Bundespräsidenten am Sonntag für beendet erklärt. Das Bündnis aus ÖVP und Grünen schrammte nach den publik gewordenen Vorwürfen gegen Kurz nur knapp an einem Kollaps vorbei. Auslöser war eine Razzia im Kanzleramt, der ÖVP-Parteizentrale sowie im Finanzministerium in der vergangenen Woche. Diese erfolgte auf Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die gegen Kurz wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Die Grünen hatten Kurz danach die Amtsfähigkeit abgesprochen und die ÖVP aufgefordert, eine "untadelige Person" zu finden, die das Amt des Kanzlers ausführen kann.
Die Vorwürfe reichen zurück bis ins Jahr 2016, als Kurz noch Außenminister war. Laut Staatsanwaltschaft sollen mit Geldern des Finanzministeriums Umfragen bezahlt worden sein, die Kurz in einem günstigen Licht erscheinen ließen. Die Behörde vermutet zudem, dass ein Boulevardmedium Inserate als Gegenleistung für eine positive Berichterstattung über Kurz erhalten habe. Gegen Kurz laufen zudem Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
rtr