War vor wenigen Wochen noch spekuliert worden, der Bund würde wegen der steigenden Flüchtlingsausgaben vielleicht die schwarze Null reißen, so kippt die Diskussion nun in die andere Richtung: Mitten in Aufstellungsphase der Parteien für den Bundestagswahljahr 2017 entsteht der Eindruck, dass es wieder etwas zu verteilen gibt.
Im Finanzministerium und bei einigen Haushältern wird dies als gefährliche Debatte angesehen. So trat der haushaltspolitische Sprecher der Union, Eckhardt Rehberg, auf die Bremse: "Durch die Negativzinsen entsteht kein neuer Spielraum im Bundeshaushalt. Der Bund steht vor großen, teuren Herausforderungen bei den Themen Sicherheit und der Bewältigung der Flüchtlingskrise, die er bewältigen muss", sagte Rehberg zu Reuters.
Doch Carsten Schneider vom Koalitionspartner SPD widerspricht: "Durch Steuermehreinnahmen und Zinsminderausgaben entstehen zusätzliche Spielräume", sagte der Fraktionsvize zu Reuters. Ohnehin hat die Debatte, wofür man zusätzliches Geld verwenden könnte, längst begonnen. Ein Überblick:
AUSGEBEN ERHÖHEN
Die Union verweist gerne auf die wachsenden finanziellen Anforderungen für die Flüchtlingskrise. Dazu kommt milliardenschwere Länder-Forderungen auch bei der angestrebten Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Zudem hat Kanzlerin Angela Merkel angekündigt, dass der Bundeswehr-Etat angehoben werden soll - ebenso wie der Forschungs- und Entwicklungsetat. Da kommen höheren Steuereinnahmen gerade recht. Zumindest SPD und CSU möchten einen Teil der Mehreinnahmen auch für Sozialausgaben verwenden. Die CSU hat angekündigt, dass sie nach der Bundestagswahl 2017 erneut die Mütterrente erhöhen will. Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern sollen nun völlig gleichgestellt werden - was Milliarden kostet.
In der SPD wiederum hat Arbeitsministerin Andrea Nahles Vorschläge für die Angleichung der Ost- und Westrenten vorgelegt. Nahles möchte, anders als Schäuble, die Milliarden-Mehrkosten aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Familienminister Manuela Schwesig (SPD) meldete zudem Mehrbedarf etwa für neue geplante Präventionsprogramme gegen Islamismus an.
MEHR INVESTIEREN
Seit Jahren steht die Bundesregierung nicht nur seitens der Opposition, sondern auch der internationalen Partner unter Druck, mehr zu investieren. Die Regierung hat im Laufe der vergangenen beiden Jahren bereits nachgelegt und mehrere Milliarden für Verkehr, Wohnungsbau und Ausbau des Digitalnetzes zusätzlich zur Verfügung gestellt als Anfang der Legislaturperiode geplant. Während SPD-Fraktionsvize Schneider aber für eine Ausweitung der Investitionen, bremsen Unions-Haushälter. "Ein blindes Hochfahren von Investitionen ist dagegen wenig sinnvoll.
In den Bereichen Infrastruktur sowie Bildung und Forschung geht es darum, erst einmal die ganzen Steigerungen sinnvoll umzusetzen, die wir bereits beschlossen habe", sagt etwa CDU-Haushälter Rehberg. Auch in der SPD wird darauf verwiesen, dass der Bund 2015 und 2016 mit der Übernahme milliardenschwerer Aufgaben für Länder und Kommunen Freiraum für dortige Investitionen geschaffen habe.
STEUERN SENKEN
In der Union gibt es erste Lockerungsübungen, dass man nach der Wahl die Steuern senken und damit den Bürgern zumindest einen Teil der Steuer-Mehreinnahmen zurückgeben sollte. Schäuble etwa hat Steuersenkungen ab 2018 in Aussicht gestellt. Auch Merkel sprach vergangene Woche von möglichen Steuersenkungen für die Mittelschicht. CDU-Haushälter Rehberg unterstützt dies: "Die finanziellen Spielräume, die wir haben, sollten wir in den nächsten Jahren für die Entlastung von Familien und Erwerbstätigen nutzen."
In der SPD klingt dies ähnlich: Schneider will nicht nur eine Entlastung von Alleinerziehenden. "Darüber hinaus streben wir für die nächste Wahlperiode eine Entlastung für Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen an", sagte er. Anders als 2013 könnte der Fokus im Wahlkampf also nicht auf Steuererhöhungen, sondern auf Steuersenkungen liegen.
SCHULDEN ZURÜCKZAHLEN
Eigentlich war der Schuldenabbau ein Ziel Merkels - zumindest in Zeiten der schwarz-gelben Koalition mit der FDP. Davon ist nichts mehr zu hören. Ein Grund: Der relative Gesamtschuldenstand Deutschlands, der immer noch über den nach dem Maastricht-Vertrag erlaubten 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt, sinkt ohnehin durch das relativ starke Wirtschaftswachstum.
Und einen ehrgeizigeren Abbau des Schuldenberges, wie ihn einige Bundesländer betreiben, gilt auf Bundesebene schon wegen der konkurrierenden Forderungen nach Investitionen als politisch schwer durchsetzbar. Auch auf europäischer Ebene käme dies nicht gut an: Spanien, Italien, Frankreich und Portugal kämpfen mit Haushaltsdefiziten. In dieser Phase, so heißt es in der Bundesregierung, könne man als Primus nicht auch noch Schulden zurückzahlen. rtr