Liebe Leserinnen und Leser,
wer zum in ein paar Stunden anstehenden Jahreswechsel als Börsianer zumindest eine Botschaft aus 2014 nicht mit hinüber ins neue Jahr nimmt, dem kann ich auch nicht mehr helfen. Diese Botschaft lautet: Wenn Börse zu einem Großteil Psychologie ist (und genauso ist es nun einmal) und wenn es auch richtig ist, dass sich die psychologische Verfassung der Marktteilnehmer nicht ausschließlich an den Kursen ausrichtet, dann kann es nur von Vorteil sein, wenn sich die Beteiligten auch einmal über den Tellerrand der Börse hinausbewegen und auf Weichenstellungen anderer Art achten. Einiges dazu jetzt in einem ganz kurzen Abriss. Jedem Thema behalte ich einige wenige Zeilen vor.
Auf Seite 2: Euro
Euro: Der ist sicher und alternativlos. Ich erinnere an mein auch hier veröffentlichtes Interview mit den Spitzen unserer Parteien, u. a. Herrn Dr. Schäuble, aber auch der AfD. Gestern ist in Athen auch der dritte Anlauf zur Wahl eines neuen Präsidenten gescheitert. Und das sogar sehr deutlich. Ende Januar stehen nun Neuwahlen stehen an. Wie es aussieht, dürfte die "linkspopulistische" Syriza dabei das Rennen machen. Und damit steht "Grexit" im Raum, der mögliche Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone. Besonders originell ist die Warnung aus Brüssel: Würden die Griechen dem Euro den Rücken kehren, könnte das zu einer Verarmung der Bevölkerung führen. Ach ja? 2015 wird Griechenland den Reigen der anstehenden Parlamentswahlen eröffnen. Aber auch in Portugal, Spanien und Großbritannien wird im kommenden Jahr gewählt werden. Die Regierungen all dieser Länder verfolgen die von der EU und insbesondere Berlin geforderte Austeritätspolitik. Man darf gespannt sein.
Auf Seite 3: PEGIDA
PEGIDA: Aus dem Nichts gekommen, gewinnt die Bewegung offenkundig an Dynamik. Wie ich bereits schrieb, ist sie vermutlich Ausdruck einer vielfältigen, teils diffusen Ablehnung einer Politik, die am nicht mehr gehörten und auf sein Wahlkreuzchen reduzierten Bürger völlig vorbei geht. Der Name der Bewegung ist in der Tat mehr als obsolet. Hätte sich PEGIDA die Rückbesinnung auf die Werte des Abendlandes auf die Fahnen geschrieben und deren Einhaltung von der Politik eingefordert, stünde die GroKo heute ganz anderen Problemen gegenüber und wäre längst damit gescheitert, alles, was nicht in den Meinungs-Mainstream passt, in die rechte Ecke zu bugsieren. Was das Erstarken der neuen Parteien und das Entstehen immer neuer Bewegungen im EU-Raum alimentiert, hat www.querschuesse.de recht genau auf den Punkt gebracht. Nach dem Empfinden einer wachsenden Anzahl von Bürgern
• sind die großen Volksparteien nicht nur gleichermaßen unfähig oder unwillig, die Probleme im Land sowie vor allem die großer Bevölkerungsteile im Land zu lösen,
• mehr noch unterscheiden sie sich in der Politikpraxis kaum noch,
• gelten als hoffnungslos verfilzt und unfähig zur Erneuerung,
• belegen durch immer neue, schlagzeilenträchtige Skandale, wie sehr ihre Mitglieder stets die eigenen Vorteile im Blick und wie wenig Skrupel sie nicht selten haben, persönliche Vorteile zu Lasten oder zum Schaden der Gesellschaft zu erzielen, ohne dafür angemessen zur Verantwortung gezogen zu werden.
Auf Seite 4: IS
IS: Die scheinbar unbesiegbare Truppe einiger Tausend "Gotteskrieger". Wie ich bereits einmal ausführte: Wäre die unter US-Führung geführte, militärische Antwort auf diese Psychopathen wirklich vernichtend gemeint, dann wäre sie es längst gewesen. Ein "brennender" Naher Osten aber kommt all denen entgegen, die die dort ansässigen OPEC-Staaten ihrer Dominanz über den Ölpreis berauben wollen.
Auf Seite 5: MH17, MH370, QZ8501
MH17, MH370, QZ8501: Die Liste der drei bedeutendsten Flugzeugabstürze dieses Jahres geht an Malaysia. Statistisch betrachtet, ist das, sagen wir einmal, höchst bemerkenswert. Und noch viel bemerkenswerter wird es, wenn man bedenkt, dass all Ursachen all dieser drei Flugzeug-Schicksale, eines wie das andere, bis jetzt so völlig im Dunkeln verblieben. Beim "frischen" Verschwinden von QZ8501 mag sich das ja noch ändern. Natürlich: Es gibt Zufälle, die jeden statistischen Wahrscheinlichkeitsrahmen sprengen. Aber Malaysia war bis jetzt das erste und einzige Land, das US-Präsident Bush und Großbritanniens Tony Blair per Gericht des Völkermordes beschuldigte. Die USA und Großbritannien täten gut daran, diesen einzigen gemeinsamen Nenner der mysteriösen Abstürze zu entkräften. Denn Verschwörungstheorien haben wir mittlerweile nun wirklich schon mehr als genug.
Auf Seite 6: Ukraine
Ukraine: Vorgestern hörte ich im Deutschlandfunk einen bemerkenswerten Beitrag eines ARD-"Experten" zum Ukraine-Konflikt. Russland, an das die NATO von allen Seiten immer näher heranrückt und dass mit dem letztwöchigen Beschluss des ukrainischen Parlaments zur Aufnahme in die NATO auch die Blockfreiheit der Ukraine in die Tonne treten kann, wurde da wörtlich so kommentiert: "Russland beschwört Bedrohungs-Szenario herauf." Zu dieser Art von Medien fällt einem kaum noch etwas ein. Immerhin hat der "Wissenschaftliche Beirat" des Bundesfinanzministeriums nun erkannt, dass die GEZ-Zwangsverdummungsabgabe vermutlich rechtswidrig ist. Mal sehen, ob es etwas hilft. Wie auch immer: Wird es hier friedlicher, bleibt die Frage offen, warum dafür bis jetzt über 5.000 Menschen ihr Leben lassen mussten.
Auf Seite 7: NSA
NSA: Da redet nun niemand mehr drüber. Aber wie vorgestern bekannt wurde, geht der Spuk munter weiter: Einer engen Vertrauten der Bundeskanzlerin haben NSA und der brit. Geheimdienst einen Trojaner auf ihren USB-Stick geschmuggelt, von dem aus alles mitgelesen werden konnte, was Sache war. Und das Kanzleramt schweigt das gewohnte Kanzlerschweigen. Mit aller Deutlichkeit.
Auf Seite 8: Bedrohung für Finanzmärkte
Jede einzelne dieser Entwicklungen birgt genügend Sprengstoff, um die Börsen in heftige Turbulenzen zu versetzen. Und mit billigem Geld allein, dessen Wirkung sich erkennbar tot zu laufen erscheint, lässt sich nicht alles zudecken. Und neues Ungemach steht vor der Türe, auch und gerade für die EU. Denn während der öffentliche Widerstand gegen TTIP immer lauter wird, laufen in Brüssel längst die Verhandlungen über TISA. Dieses Freihandelsabkommen zielt auf die Deregulierung und Privatisierung der Bereiche Bildung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr etc. ab, die der öffentlichen Hand entrissen und an Unternehmen gegeben werden sollen - mit der ausdrücklichen Festlegung, dass dieser Wechsel unumkehrbar ist. Man fragt sich wirklich, für wen die EU eigentlich arbeitet. Ganz sicher nicht aber handelt sie im Interesse ihrer Bürger. Und die Chance, dass sie daran einmal zerbricht, ist keine kleine.
Auf Seite 9: Rohöl: Mein Ziel rückt näher
Rohöl: Mein Ziel rückt näher
Der Ölpreis ist in diesem Jahr vor allem eines gewesen: Eine Schlag ins Kontor der Hybris all jener Experten, die uns immer und immer wieder einzubläuen versuchten, dass Öl "niemals mehr" billiger werden würde. In recht genau sechs Monaten hat sich der Barrelpreis der Nordseesorte Brent jetzt geradewegs halbiert. Und ist auf dem besten Wege, mein Ihnen seit langem genanntes Kursziel von 50 US$/barrel zu erreichen.
Quelle: www.kapitalschutz-brief.de
Auch zum Jahresausklang mehren sich nun wieder die Kommentare, die diesen Preissturz als eine Art Konjunkturprogramm verkaufen wollen. Sicherlich: Wer beim Tanken oder beim Befüllen seiner Öltanks summa summarum 1.000 oder auch 3.000 Euro, Dollar oder sonst was spart, der kann dieses Geld anderweitig ausgeben. Das ist richtig. Aber dem steht, ich erwähnte es bereits früher, ja auch eine andere Konsequenz gegenüber: Ölförderstaaten wie die OPEC-Mitglieder, aber auch Russland oder Norwegen, deren Wirtschaftskraft in hohem Ausmaß vom Ölpreis abhängen, geraten massiv unter die Räder. Als Investoren an den Aktienmärkten verlieren sie damit an Bedeutung. Und ebenfalls bei den Auftragseingängen der Länder, die vom niedrigen Ölpreis profitieren, wird sich der Kurssturz bemerkbar machen. Was sich im deutschen Maschinenbau ja bereits mehr als deutlich zeigt. Das durchaus auf den Ölpreis drückende Fracking in den USA schwächt meine bisherige Argumentation, den Ölpreis in Wesentlichen als einen Konjunkturerwartungsindikator einzustufen. Aber der Blick auf den Rogers Commodity-Index, der ja nun so gut wie das ganze Rohstoffspektrum umfasst, bestätigt meine Sicht der Dinge dann doch:
Quelle: www.kapitalschutz-brief.de
Dieser Index der Rohstoffpreise ist nun auf den niedrigsten Stand seit Mitte 2009 gepurzelt. Und das IST dann doch schon einmal eine klare Ansage für die Weltwirtschaft im kommenden Jahr. Insbesondere auch für die Aktienmärkte. Wirtschaftswoche, diverse Industrieverbände und zuletzt der rührige Ifo-Chef Prof. Sinn hören ja gar nicht mehr damit auf, die Anleger in den Aktienmarkt zu treiben. Was ich dazu meine? Siehe Rohöl: Sind alle Experten einer Meinung, ist es an der Zeit, den Ausstieg ins Visier zu nehmen.
Auf Seite 10: DAX: Nüchtern ins Neue Jahr
DAX: Nüchtern ins Neue Jahr
Nein, ich hab’s nicht genau nachgerechnet. Aber der DAX dürfte am Dienstag mit einem Jahresplus nahe 2,7 Prozent aus dem auf 14:00 Uhr verkürzten Handel gegangen sein. Der Vorschusslorbeer ist damit dahin.
Quelle: www.private-profits.de
Die rechte Skalierung dieses Charts zeigt Ihnen die prozentualen Kursausschläge des DAX in diesem Jahr. Tja, gefühlt mag es besser gewesen sein, faktisch aber nicht. Die, die die Perspektiven so bullish gemalt hatten, stehen heute also auch nicht besser da als ich, der immer eher die Moll-Seite intoniert hatte.
Der Chart ist gleichwohl interessant. Vorgestern gab es im Candlestick-Chart einen "Hanging Man", der gestern durch fallende Kurse bestätigt wurde. Das Momentum fiel dabei erstmals klar unter seine Signalschwelle bei 100 zurück. Formal chart- und markttechnisch betrachtet, wird der Jahresstart 2015 also etwas schwierig werden. Zwischen 11.000 und 13.000 Punkten liegen die Kurszielerwartungen der meisten Banken für 2015. Ich gehe einmal davon aus, dass wir sehr viel tiefere Kurse sehen werden. Wir werden sehen.
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Ihnen allen einen guten Rutsch und ein gesundes, freud- und vor allem friedvolles neues Jahr! Was die Börsen tun, werden wir sehen. Meine Meinung ist nicht in Stein gemeißelt. Aber EUR/USD, Silber und DAX short bleiben zum Neujahrsfrühstück auf meinem Teller. Bei Öl: Einfach mal wieder den gewinnsichernden Stopp nachziehen!
Viel Erfolg uns beste Grüße
Axel Retz
Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .