Kürzlich verstarb mein Vater - ein paar Jahre nach meiner Mutter. Gemäß seinem notariell beurkundeten Testament wird mein Bruder Alleinerbe. Aber es gibt auch ein deutlich älteres, handgeschriebenes Testament unserer Eltern. Hier sind wir gemeinsam bedacht. Welches gilt nun?
Euro am Sonntag: Das ist eine knifflige Frage, denn in Testamenten kommt es immer auf die genauen Formulierungen an. Dies gilt besonders für gemeinsam erstellte. Vorab zwei Grundregeln: Erstens sind handschriftliche Testamente beurkundeten grundsätzlich gleichgestellt - es gibt keine Rangfolge. Zweitens: Wenn mehrere, sich widersprechende Testamente auftauchen, gilt grundsätzlich das neueste.
Letzteres würde dafür sprechen, dass Sie nur Anspruch auf Ihren Pflichtteil hätten. Von dieser Regel gibt es aber eine Ausnahme, nämlich immer dann, wenn eine gemeinsame Verfügung als sogenanntes Berliner Testament aufgesetzt wurde. Nach Angaben von Berit Sander, Fachanwältin aus Halle an der Saale, setzen sich die Ehegatten hier wechselseitig als Alleinerben ein und bestimmen gleichzeitig, wer nach dem Tod des länger Lebenden der Schlusserbe wird. Haben Ihre Eltern ein solches Testament erstellt, kann dies nicht einseitig vom Überlebenden geändert werden. Dies bedeutete in ihrem Fall: Ihr Bruder müsste teilen.
Aber wie eingangs erwähnt: Entscheidend ist die exakte Formulierung. Theoretisch ist es auch möglich, die Bindungswirkung des Berliner Testaments bezüglich der Schlusserben durch eine Öffnungsklausel aufzuheben. Diese würde dem Überlebenden erlauben, das Erbe anders zu verteilen. Jedoch haben gerade in selbst formulierten Testamenten solche Klauseln juristisch oft keinen Bestand, betont Sander. Gibt es also eine solche Klausel, so Berit Sanders Tipp, kann es sich lohnen, sie überprüfen zu lassen.