Das Thema dürfte spätestens am Montag beim Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in Berlin wieder in den Fokus rücken.
REPARATIONEN
Mit Reparationen sind alle Ansprüche eines Staates an einen anderen gemeint - aus Sicht der Bundesregierung fällt darunter auch die zinslose NS-Zwangsanleihe von 1942, die im Oktober 1944 einen offenen Betrag von 476 Millionen Reichsmark ausmachte. Die Bundesregierung pocht darauf, dass die Begleichung von Kriegsschäden durch eine Reihe von Verträgen endgültig geklärt sei - und der Umgang mit Griechenland nicht anders sei als mit anderen NS-Opfer-Staaten. Hintergrund ist dabei, dass Berlin auf keinen Fall einen Präzedenzfall für weitere Reparationsforderungen schaffen möchte.
Zunächst sei Griechenland über die Pariser Interalliierte Reparationsagentur (IARA) an "westlicher Reparationsmasse" aus Deutschland beteiligt worden, heißt es deshalb. 1953 habe dann das Londoner Schuldenabkommen die Reparationsfrage auch mit griechischer Zustimmung bis zu einem Friedensvertrag zurückgestellt. Der Zwei-Plus-Vier-Vertrag zur deutschen Einheit vom 12. September 1990 habe das Thema dann endgültig für erledigt erklärt. Die Regelung mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs sei in der Charta von Paris im November 1990 auch von den anderen KSZE-Staaten, darunter Griechenland, akzeptiert worden. Zumindest habe Griechenland keinen Einspruch erhoben.
Genau hierüber gibt es allerdings auch unter Juristen in Deutschland Streit. So zweifelt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus dem Jahr 2013 genau diesen abschließenden Charakter des Zwei-Plus-Vier-Vertrages zu den Reparationen an.
Im übrigen weist man in der Bundesregierung auch die Berechnungen zurück, welchem Betrag die Zwangsanleihe heute entsprechen würde: Während die Syriza-Partei von bis zu elf Milliarden Euro spricht, habe die Bank von Griechenland schon 1963 von Verbindlichkeiten von nur noch 215 bis maximal 258 Millionen Dollar gesprochen, wird betont.
Auf Seite 2: ENTSCHÄDIGUNGEN
ENTSCHÄDIGUNGEN
Mit Entschädigungen sind die Leistungen Deutschlands an individuelle NS-Opfer in Griechenland gemeint. 1960 wurde mit Griechenland ein Globalabkommen geschlossen, nach dem in den folgenden Jahren 115 Millionen Mark an NS-Verfolgte ausgezahlt wurden. Nach Ansicht der Bundesregierung entspricht das einer heutigen Kaufkraft von 235 Millionen Euro. 1998 hätten griechische Zwangsarbeiter zudem eine Entschädigung von insgesamt 13,5 Millionen Euro aus Mitteln der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" erhalten.
Am 3. Dezember 2012 urteilte der Internationale Gerichtshof (IGH), dass keine individuellen Klagen gegen Deutschland zulässig sind. Zuvor hatten sich die Regierungen von Deutschland und Italien angesichts einer Fülle von Klagen von NS-Opfern vor italienischen Gerichten darauf geeinigt, die Frage abschließend vom IGH klären zu lassen. Auch Griechenland war der Klage beigetreten. Angesichts des IGH-Urteils wies das oberste griechische Gericht im Dezember 2013 auch eine Klage der jüdischen Gemeinde Thessaloniki gegen Deutschland ab.
In der Bundesregierung wird argumentiert, dass eine in der Öffentlichkeit diskutierte griechische Staatenklage vor internationalen Gerichten oder Schiedsgerichten ohne deutsche Zustimmung nach den völkerrechtlichen Regeln gar nicht möglich sei.
Auf Seite 3: ANDERE LEISTUNGEN
ANDERE LEISTUNGEN
Wohl auch weil die Bundesregierung jede juristische Frage für geklärt hält, weicht die Debatte auf die moralische Ebene aus. Die deutsche Verantwortung für NS-Kriegsgräuel habe Bundespräsident Joachim Gauck auch gegenüber Griechenland am 6. März 2014 klar anerkannt. Allerdings hatte auch Gauck das Thema Reparationen für beendet erklärt. Griechenland sei nicht anders als andere Länder behandelt worden, wird mit Hinweis auf die Entschädigungen argumentiert.
Eher dezent wird in der Bundesregierung darauf verwiesen, dass Deutschland Griechenland seit 1945 in anderer Weise geholfen habe - vor allem seit dem EU- und Nato-Beitritt des Landes. So wird auf den deutschen Anteil an den EU-Fördertöpfen verwiesen, aus dem auch Griechenland viele Milliarden erhalten habe - sowie auf die Hilfen im Rahmen der Euro-Rettung, die bisher aber als Kredite und nicht als Zuschüsse gewertet werden. Bilateral seien über die Jahrzehnte zudem an Wirtschafts-, Verteidigungs- und Rüstungssonderhilfen mehr als drei Milliarden Mark, also umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro, an Griechenland gezahlt worden.
Reuters