Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies darauf, dass der Lohnunterschied bis zu 300 Euro im Monat ausmachen könne. Das werde regional sehr unterschiedlich sein. Die Gewerkschaft Verdi forderte Nachbesserungen: Dumpingtarifverträgen werde kein Riegel vorgeschoben. Die Gesetzliche Krankenversicherung befürchtet zudem eine Milliarden-Lücke bei der Finanzierung.

Das Kabinett billigte mehrere zuvor in der Koalition vereinbarte Änderungsanträge für ein laufendes Gesetzesvorhaben. Dadurch kann der Bundestag dies noch im Juni verabschieden. Ab September 2022 müssen Pflegeeinrichtungen ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Zudem werden vollstationär Pflegebedürftige durch Zuschüsse zu ihren Eigenanteilen an den Pflegekosten entlastet: Dieser steigt von fünf Prozent im ersten Jahr der Pflege in jährlichen Schritten über 25 Prozent und 45 Prozent auf 70 Prozent im vierten Jahr. Für Pflegebedürftige bedeutet das laut Spahn nach zwei Jahren eine durchschnittliche Entlastung von etwa 400 Euro im Monat und nach drei Jahren von knapp 640 Euro.

SPAHN: FINANZVOLUMEN VON GUT DREI MILLIARDEN EURO


Spahn sprach von Hunderttausenden Beschäftigten, die auf bessere Bezahlung hoffen könnten, zumal es keinen Arbeitgeber in der Pflege gebe, der derzeit nicht nach Pflegekräften suche. Nach Berechnungen des Arbeitsministeriums wird etwa die Hälfte der rund 1,2 Millionen Pflegekräfte nicht nach Tarif bezahlt. Sie verdienten bis zu zwei Euro weniger pro Stunde.

Zur Finanzierung der Reform soll der Pflegebeitragssatz für Kinderlose 2022 um 0,1 Punkte auf 3,4 Prozent des Lohns steigen. Spahn erwartet davon Mehreinahmen von 400 Millionen Euro. Neu ist ein jährlicher Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro ab 2022. Die gesamte Finanzwirkung der Reform bezifferte Spahn auf gut drei Milliarden Euro. Die Gesetzliche Krankenversicherung hatte bereits am Dienstag erklärt, sie erwarte eine Finanzierungslücke von etwa zwei Milliarden Euro.

Verdi sieht die Gefahr von "Gefälligkeitstarifverträgen zwischen Pseudogewerkschaften und Pflegeanbietern, die weiterhin keine fairen Löhne zahlen wollen". Auch solche Tarifverträge würden die Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen erfüllen, warnte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Hier müsse im Bundestag nachgebessert werden.

Der evangelische Sozialdienst Diakonie sprach von "kleinen Schritten in die richtige Richtung". Die Anhebung der Gehälter für alle Pflegekräfte auf das Niveau von Tarifverträgen oder kirchlichen Vereinbarungen sei ein wichtiger Schritt. Es müssten aber noch verbindliche Personalbemessungsrichtlinien folgen und die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert werden. Diese Hürden müsse nun die nächste Bundesregierung nehmen.

rtr