"Wir haben ohne Zweifel noch einmal schwierige Monate vor uns", sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Kanzleramtchef Helge Braun sagte RTL, die Pandemie "wird uns auch den Januar, Februar und März begleiten und gegebenenfalls auch Beschränkungsmaßnahmen, wenn unser individuelles Verhalten nicht ausreicht". Kritik daran kam von FDP und Linken.

Die Bundesregierung und die 16 Ministerpräsidenten hatten sich am Mittwochabend darauf geeinigt, sowohl die Schließung der Gastronomie, Freizeit- und Kultureinrichtungen bis zunächst 20. Dezember zu verlängern als auch die privaten Kontakte auf maximal fünf Personen zu beschränken. In dem Beschluss heißt es aber, dass "wegen des hohen Infektionsgeschehens umfassende Beschränkungen bis Anfang Januar (insbesondere im Bereich Gastronomie und Hotels) erforderlich sein werden". Einschränkungen können nach dem neuen Infektionsschutzgesetz aber immer nur für vier Wochen verhängt werden, so dass Bund und Länder vor Weihnachten über weitere Schritte reden wollen. Söder nannte den 20. Dezember deshalb ein rein formales Datum aus juristischen Gründen.

NEUINFEKTIONEN VERHARREN AUF HOHEM NIVEAU


Hintergrund der Warnungen ist vor allem, dass die Corona-Neuinfektionen auf einem hohen Niveau verharren. Das Robert-Koch-Institut meldete am Donnerstag 22.268 neue Fälle in Deutschland und damit in etwa so viele wie vor einer Woche sowie 389 weitere Tote. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI mit 137,8 an. Diese Zahl zeigt, wie viele Menschen sich rechnerisch auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen bundesweit anstecken. Sie liegt weit vom Wert "unter 50" entfernt, den Kanzlerin Merkel als Zielgröße ausgab. Sie hatte am Mittwochabend aber betont, dass sie nicht sagen könne, wann dieser Wert mit dem beschlossenen Maßnahmenpaket und den für Weihnachten bereits wieder vorgesehenen Lockerungen an Kontaktbeschränkungen überhaupt erreicht werden könne. "Wir wollen nicht, dass über die Feiertage die Infektionszahlen hochschnellen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet kündigte an, dass die Bundesbürger über Weihnachten bei Familien-Besuchen doch in Hotels übernachten können. Touristische Reisen seien zwar untersagt, doch dürften Menschen, die Familien an den Feiertagen besuchten und dort keinen Schlafplatz hätten, Hotels nutzen, sagte Laschet.

Wegen der Verlängerung der Schließungen rückt die Frage der finanziellen Entschädigungen stärker in den Mittelpunkt. Der Bund hat zugesagt, die Hilfen auf der Basis der sogenannten November-Hilfen für Dezember fortzusetzen, die den Steuerzahler rund 15 Milliarden Euro kosten dürften. Im Dezember wird ein womöglich deutlich höherer Betrag erwartet, weil geschlossene Betrieb zwischen 70 und 75 Prozent ihres Umsatzes von Dezember 2019 ersetzt bekommen sollen. Aufgrund des lukrativen Weihnachtsgeschäfts sind die Umsätze etwa in der Gastronomie in diesem Monat besonders hoch. Merkel rechtfertigte die Milliardenhilfen, weil einige Branchen letztlich für die gesamte Gesellschaft Lasten auf sich nähmen. Sie betonte aber zugleich, dass der Bund diese Summen nicht "bis ultimo" zahlen können. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus forderte, dass sich die Länder an den Kosten für weitere Schließungen ab Januar beteiligen müssten.

Lockerungen seien derzeit nicht möglich, "sie wären nicht verantwortbar", sagte Merkel. Mit den seit dem 2. November geltenden und nun zunächst bis zum 20. Dezember verlängerten Einschränkungen sei zwar das Schlimmste - die Überforderung des Gesundheitssystems - verhindert worden. "Das ist ein erster Erfolg, aber es ist noch kein nachhaltiger Erfolg." Die "dringend notwendige Trendumkehr" bei den Infektionszahlen sei noch nicht erreicht. Sie forderte die Bundesländer auf, in Schulen in Corona-Hotspots auch wirklich zusätzliche Maßnahmen einzuführen.

Allerdings gibt es dagegen bereits einen Tag nach der Bund-Länder-Schalte Widerstand. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) betonte, er sehe keinen Anlass für eine grundsätzliche Einschränkung des Schulbetriebs. Stand gestern seien weniger als zwei Prozent aller Schüler und Lehrer in Quarantäne. 0,1 Prozent der Schüler seien infiziert, bei den Lehrern seien es 0,3 Prozent.

Besonderes Augenmerk liegt derzeit auf dem Landkreis Hildburghausen in Thüringen, wo das RKI eine Rekord-Inzidenz von 602,9 registrierte. Bürgermeister Tilo Kummer (Linke) nannte als Grund für den plötzlichen Anstieg gegenüber Reuters-TV, dass die Bevölkerung "offensichtlich relativ leichtfertig in den Herbst" gegangen sei. In der Folge mussten Kindergärten und Schulen schließen. "Das gesamte öffentliche Leben ist massiv betroffen gewesen." Kummer warf etlichen Bewohnern vor, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Am Mittwochabend habe es eine nicht angemeldete Demonstration von mehreren hundert Menschen teilweise ohne Masken gegeben. Deshalb müssten nun noch schärfere Maßnahmen ergriffen werden. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kündigte einen Massentest für Schüler an, um zu sehen, ob die Schulen Infektionsherde seien.

rtr