Zwei Jahre sind bereits ins Land gegangen, seit MiFID II/MiFIR inkraft getreten ist. Doch die Umsetzung des umfangreichen Regulierungspakets beschäftigt die Finanzbranche noch immer - und zwar mehr, als allen Beteiligten Recht ist. Über nahezu alle Themenfelder hinweg haben Banken und andere Finanzdienstleister die Vorgaben oft nur unzureichend oder nicht vollständig umgesetzt. Dass Marktteilnehmer mit Übergangslösungen arbeiten, ist eher die Regel als die Ausnahme. Das zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Verstöße gegen die MiFID II/MiFIR-Anforderungen, die bei aufsichtsrechtlichen Prüfungen aufgedeckt und angemahnt werden. Gleichzeitig wächst in der Branche der Unmut über den hohen Dokumentationsaufwand und die vorgeschriebene Informationsflut, mit der die Kunden oft überfordert sind. Der Ruf nach einer Vereinfachung und Überarbeitung des Regulierungspakets wird lauter.

Als Reaktion auf die wachsende Kritik hat die Europäische Kommission am 17. Februar 2020 zu einer öffentlichen Konsultation eingeladen, um Überarbeitungsvorschläge für MiFID II/MiFIR zu diskutieren. Hier konnten die verschiedenen Interessenverbände aus der Finanzdienstleistungsbranche ihre Verbesserungsvorschläge für spezifische Themen unterbreiten, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Research für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMUs) oder auch der Einführung eines einheitlichen Preisvergleichstools zur Konsolidierung von Handelsdaten in der gesamten EU. Die Ergebnisse der Konsultation liegen mittlerweile vor. Die Erkenntnis: Es kamen durchaus auch kritische Themen auf den Tisch, die nun neu verhandelt werden. Unter anderem flammte auch die Diskussion über ein Provisionsverbot bei der Anlageberatung neu auf.

Pro und Contra zum Provisionsverbot


Die Debatte darüber, ob ein vollständiges Provisionsverbot für Finanzdienstleistungen eingeführt werden sollte, ist wieder neu entbrannt. Hintergrund: Die Regulierungsbehörde ESMA hatte in ihrer Empfehlung an die EU-Kommission vom 1. April 2020 bereits festgestellt, dass die bestehenden Vorschriften nicht die beabsichtigte positive Wirkung gehabt und die Entwicklung einer unabhängigen Finanzberatung gefördert hätten. Gleichzeitig gab sie aber auch zu bedenken, dass ein vollständiges Verbot in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Auswirkungen hätte und dass zunächst die Auswirkungen der derzeitigen Vorschriften über Anreizsysteme auf den Vertrieb überprüft werden sollten.

Vor dem Hintergrund dieser Einlassung wird derzeit neu über das Provisionsverbot diskutiert. Die Befürworter eines Provisionsverbotes sind der Meinung, dass der Interessenkonflikt bei der Anlageberatung so deutlich sei, dass es kaum zu vermeiden sei, dass Anlagenvermittler, die auf Provisionsbasis arbeiten und daher am Verkauf von Produkten verdienen, eher die zu erzielenden Provisionen im Blick haben würden als das Wohl ihrer Kunden. Daher sei eine Abschaffung provisionsbasierter Beratung im Interesse der Verbraucher und damit auch im Sinne des Geistes des Regulierungspakets MiFID II.

Die Marktteilnehmer, die sich klar für das Fortbestehen der auf Provisionen basierenden Anlageberatung aussprechen, argumentieren dagegen, dass eine Wertpapierberatung nicht automatisch besser sei. Außerdem seien Interessenkonflikte auch bei der auf Gebühren basierenden Anlageberatung möglich. Zudem berge ein vollständiges Provisionsverbot die Gefahr, dass das Beratungsangebot für Menschen mit kleinerem Vermögen deutlich schrumpfe, da sich Anlageberater dann stärker auf wohlhabende Kunden konzentrierten würden. Diese Entwicklung ist tatsächlich in den Niederlanden und in Großbritannien zu beobachten, wo ein Provisionsverbot bereits seit 2013 besteht. Ein weiteres Argument dafür, Anlageberatung auf Provisionsbasis weiter zu erlauben, lautet: Ein vollständiges Provisionsverbot führe zu einer Wettbewerbsverzerrung gegenüber der Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (IDD), die Provisionen weiterhin erlaubt - und dies sogar unter weit weniger strengen Auflagen als es unter MiFID II der Fall ist.

In Bezug auf diesen letzten Punkt hat die ESMA immerhin einen Lösungsvorschlag unterbreitet: Die Aufsichtsbehörde kann sich vorstellen, dass "MiFID-ähnliche" Anlageprodukte, wie bestimmte Versicherungsprodukte, ähnlichen Anreizregeln wie MiFID-II-Anlageprodukte unterliegen sollten.

Die Frage, ob provisionsbasierte Anlageberatung grundsätzlich zu verbieten sei, ist damit allerdings noch nicht vom Tisch.