Die gesetzliche Rente ist viel besser als ihr Ruf - denn sie ist gerecht", sagt Bernd Raffelhüschen. "Wer viel einzahlt, kriegt viel; wer wenig zahlt, kriegt wenig." Der Mann muss es wissen, schließlich beschäftigt sich der Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg seit Jahrzehnten mit Alterssicherungssystemen weltweit. Doch die allgemeine Rentenformel, nach der sich die gesetzliche Rente im Alter berechnet, scheint komplizierter, als es die einfachen Worte des Freiburger Rentenprofessors vermuten lassen: Rmtl= EP x ZF x RAF x aRW.
Einfacher als Schulmathe
Doch keine Sorge, die Berechnung der individuellen Altersrente ist einfacher als viele Matheaufgaben in der Schule. Man muss nur die Abkürzungen verstehen. In der Formel steht Rmtl für die monatliche Bruttorente. Eigentlich logisch. Und viel schlimmer wird es nicht. Denn EP steht für die im Lauf des (Arbeits-)Lebens erworbenen Entgeltpunkte; ZF ist die Abkürzung für Zugangsfaktor; RAF steht für Rentenartfaktor und aRW für den aktuellen Rentenwert. Werden diese vier Faktoren multipliziert, ergibt das die Höhe der monatlichen Bruttorente.
Doch was verbirgt sich hinter den Fachbegriffen Entgeltpunkt, Zugangsfaktor, Rentenartfaktor und aktueller Rentenwert?
Nun, Entgeltpunkte sind die "interne Währung" der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedem, der Beiträge einzahlt, werden Entgeltpunkte gutgeschrieben. Wie viele, das bestimmt sich aus der Relation zwischen dem individuellen Arbeitsentgelt eines Versicherten und dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt aller Versicherten. Wer in einem Jahr so viel verdient hat wie der Durchschnitt, erhält genau einen Entgeltpunkt. Für 2017 lag dieses durchschnittliche Bruttojahresentgelt bei 37 103 Euro. Heißt: Wer genau so viel verdiente, bekam exakt einen Entgeltpunkt gutgeschrieben. Zumindest in den alten Bundesländern. In den neuen genügten dafür bereits 33 148 Euro.
Wer nur die Hälfte des Durchschnittseinkommens hat, bekommt nur einen halben Entgeltpunkt gutschrieben. Wer doppelt so viel verdient, erhält zwei Entgeltpunkte. Dabei sind pro Jahr nicht viel mehr als zwei Entgeltpunkte drin, da nur das Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zur Berechnung der Entgeltpunkte berücksichtigt wird. Die Grenze liegt 2017 bei 76 200 Euro im Westen und 68 400 Euro im Osten Deutschlands. Übrigens ist es wegen dieser Grenze nicht möglich, unbegrenzt viel in die Rentenversicherung einzuzahlen. Entsprechend limitiert sind die maximalen Auszahlungen. Theoretisch ist in Westdeutschland ein sogenannter Zahlbetrag (inklusive Zuschüsse zur Krankenkasse) von 2900 Euro drin. Doch schon Zahlbeträge über 2400 Euro sind sehr selten.
Zurück zu den Entgeltpunkten: Diese kann man auch durch beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten oder durch Geburt eines Kinds - Stichwort "Mütterrente" - erwerben. Derzeit werden je Kind, das nach 1991 geboren wurde, rund drei Entgeltpunkte angerechnet. Kinder, die bis Ende 1991 das Licht der Welt erblickten, sind in der Rentenversicherung zwei Entgeltpunkte wert. Die Summe aller im Lauf des Lebens gesammelten Entgeltpunkte fließt dann in die Berechnung der persönlichen Rente ein.
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Mit dem Zugangsfaktor (ZF) werden Zu- oder Abschläge bei der Rente berücksichtigt. Abschläge gibt es, wenn die gesetzliche Rente vorzeitig beantragt wird. Pro Monat früherem Rentenbeginn werden 0,3 Prozent von der Rente abgezwackt. Für jeden Monat, den man über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, gibt es einen Zuschlag von 0,5 Prozent. Übrigens: Seit 2012 wird die Regelaltersgrenze nach und nach von 65 Jahren - für Geburtsjahrgänge bis 1946 - auf 67 Jahre für alle ab 1964 Geborenen angehoben. Die Anhebung beträgt je Geburtsjahrgang einen Monat. Wer 1952 geboren wurde und demnach 2017 den 65. Geburtstag feierte, muss noch sechs Monate über dieses Jubiläum hinaus arbeiten, damit ihm die gesetzliche Rente abschlagsfrei ausgezahlt wird.
Der Rentenartfaktor (RAF) berücksichtigt, dass die Rentenversicherung nicht nur Altersrenten zahlt, sondern auch Renten wegen - teilweiser oder voller - Erwerbsminderung, kleine und große Witwenrenten sowie Halb- und Vollwaisenrenten. Jede Rentenart hat einen eigenen RAF. Dieser beträgt bei regulären Altersrenten 1,0; bei großen Witwenrenten 0,55 oder 0,6 - je nach Todeszeitpunkt des Partners, Datum der Eheschließung und Geburtsjahrgang der Eheleute. Mit 0,1 gilt bei Halbwaisenrenten der niedrigste RAF.
Bleibt noch der aktuelle Rentenwert (aRW). Dieser beträgt seit 1. Juli 2017 im Westen 31,03 Euro; im Osten ist der Wert mit 29,69 Euro knapp 4,5 Prozent niedriger. Einmal im Jahr wird der Wert aktuellen Entwicklungen angepasst. Auch dafür gibt es eine Formel - die Rentenanpassungsformel (siehe Kasten Seite 49). In diese fließt die Entwicklung der Löhne und Gehälter aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer und deren Aufwendungen für die Altersvorsorge ebenso ein wie Veränderungen im Verhältnis zwischen Rentnern und Beitragszahlern. Ändert sich dieses zulasten der Beitragszahler, werden Rentenerhöhungen gedämpft. Eine Schutzklausel stellt jedoch sicher, dass der Rentenwert nie sinkt.
Mit all diesem Wissen lässt sich die Höhe der gesetzlichen Rente nun ganz einfach berechnen: Angenommen, ein Versicherter beantragt im Dezember 2017 seine Altersrente zum regulären Renteneintrittsalter. Damit stehen Rentenzugangs- und Rentenartfaktor mit jeweils 1,0 bereits ebenso fest wie der aktuelle Rentenwert (31,03 Euro West/29,69 Euro Ost). Für die Höhe der Altersrente kommt es nun nur noch auf die erworbenen Entgeltpunkte an. Kamen hier insgesamt 45 Punkte zusammen - was 45 Arbeitsjahren mit durchschnittlichem Verdienst entspricht -, erhält der Westrentner 1396,35 Euro Bruttorente im Monat, der Ostrentner 1336,05 Euro. Das ist exakt die Bruttorente, die derzeit der berühmte "Eckrentner" bezieht, der für viele Durchschnittsberechnungen bei der gesetzlichen Rente herhalten muss.
Doch Achtung: Davon gehen noch Steuern und Krankenversicherungsbeiträge ab, sodass auch dem Eckrentner unterm Strich deutlich weniger von seiner Rente bleibt.
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Das Rentenniveau - eine völlig verkannte Größe
Ein sinkendes Rentenniveau darf nicht mit sinkenden Bezügen im Alter verwechselt werden. Denn dieses statistische Maß dient lediglich dazu, Durchschnittsverdienste und Durchschnittsrenten miteinander zu vergleichen. Hat aber nichts mit Altersarmut zu tun
Mit der Rentenreform 2005 wurde auch ein "Nachhaltigkeitsfaktor" in die Rentenanpassungsformel eingefügt. Dieser führt dazu, dass die gesetzliche Rente weniger stark steigt als die Löhne und Gehälter der versicherungspflichtig Beschäftigten, wenn sich - wie in einer alternden Gesellschaft absehbar - das Zahlenverhältnis zwischen Rentnern und Beitragszahlern zuungunsten der Beitragszahler entwickelt. Heißt: Gibt es in Relation weniger Beitragszahler und mehr Rentner, fällt die Rentensteigerung geringer aus, als wenn der "Rentnerquotient" gleich bliebe. So soll verhindert werden, dass bis 2030 die Belastung der Arbeiter und Angestellten, die mit ihren Beiträgen die Renten der heutigen Ruheständler finanzieren, über 22 Prozent des Bruttoeinkommens steigt.
Der Nachhaltigkeitsfaktor führt damit dazu, dass das Rentenniveau sinkt. Das heißt jedoch nicht, dass die Renten sinken werden. Das Rentenniveau gibt lediglich das Verhältnis zwischen einer Standard- oder Eckrente und dem Durchschnittseinkommen eines versicherungspflichtigen Erwerbstätigen an. Angenommen, die Standardrente beträgt 1300 Euro im Monat und das Durchschnittseinkommen 2600 Euro. Dann liegt das Rentenniveau exakt bei 50 Prozent. Stiege nun das Durchschnittseinkommen auf 3900 Euro und die Eckrente auf 1750 Euro, dann sinkt das Rentenniveau auf 44,9 Prozent, obwohl die Eckrente um 450 Euro oder 34,6 Prozent gestiegen ist. Der einfache Grund dafür: Löhne und Gehälter sind noch stärker -gestiegen - um 50 Prozent.
Übrigens: 2005, zum Zeitpunkt der Rentenreform, lag das Nettorentenniveau vor Steuern nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund noch bei 52,6 Prozent, bis zum Jahr 2030 soll es höchstens bis auf 43 Prozent sinken. 2016 lag es bei 47,9 Prozent.
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Wie Beamte im Alter versorgt sind
Zwischen gesetzlicher Rente und Beamtenpension gibt es erhebliche Unterschiede. Im Endergebnis führen diese dazu, dass Beamte im Ruhestand im Durchschnitt mehr Geld zur Verfügung haben als sozialversicherungspflichtige Angestellte und Arbeiter
Die Altersversorgung von Beamten funktioniert völlig anders als die gesetzliche Rentenversicherung. Der Grund: Der Dienstherr, so heißt der Arbeitgeber bei Beamten, hat gegenüber seinen Beamten eine Alimentationspflicht. Das bedeutet: Der Staat muss seine Beamten standesgemäß versorgen - lebenslang. Beamte erhalten im Ruhestand daher keine monatliche Rente, sondern ein Ruhegehalt, komplett finanziert vom Dienstherrn.
Die Höhe dieser Pension errechnet sich grundsätzlich aus der Anzahl der Dienstjahre des Beamten. Für jedes Jahr in Vollzeit stehen Bundesbeamten derzeit exakt 1,79375 Prozent der aktuell gültigen Ansprüche auf Bezüge zu, wie das Gehalt eines Beamten im Fachjargon heißt. Nach 40 Dienstjahren in Vollzeit ist der Höchstwert von 71,75 Prozent des Bezügeanspruchs erreicht. Heißt: Beamte, die 40 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, erhalten als Ruhegehalt 71,75 Prozent ihrer letzten monatlichen Bezüge im aktiven Dienst, sofern sie diese mindestens die letzten zwei Jahre vor ihrer Pensionierung bekamen.
Zwischen der Berechnung von gesetzlicher Rente und Beamtenpension gibt es zwei gravierende Unterschiede: Zum einen wird bei Beamtenpensionen auf die letzten Monatsbezüge im aktiven Dienst abgestellt, die in der Regel höher sind als zu Beginn der Dienstzeit. Bei der gesetzlichen Rente werden dagegen alle Löhne und Gehälter berücksichtigt - auch die niedrigeren zu Beginn des Arbeitslebens. Zum anderen kann das Versorgungsniveau eines Beamten im Ruhestand mit bis zu 71,75 Prozent deutlich höher liegen als das eines Rentners beim derzeitigen Rentenniveau von 47,9 Prozent.
Altersarmut ist für Beamte denn auch kein Thema. Bundesweit bezieht kein einziger Beamter im Ruhestand vom Sozialamt Grundsicherung im Alter.