Die Rente vor der Rente - für viele ein Traum. Dabei muss es oft gar nicht der Komplettausstieg aus dem Job mit 40 sein, wie ihn die Frugalisten anstreben.
Anhänger dieser Bewegung verzichten von Beginn ihres Berufslebens an auf jeden überflüssigen Konsum. Stattdessen investieren sie einen Großteil ihres Einkommens möglichst gewinnbringend an der Börse. Ihr großes Ziel: das endgültige Ende ihrer persönlichen Lohnfron spätestens mit Mitte 40. Doch vielen würde schon eine längere Auszeit vor der Rente reichen. Einfach ein paar Jahre früher raus aus dem Hamsterrad.
Auch wer "nur" ein paar Jahre vor der eigentlichen Rente Chef, Job und Kollegen für immer Adieu sagen will, muss akribisch rechnen. Und zusätzlich privat vorsorgen - genau wie die Frugalisten. Nur nicht ganz so eisern.
€uro am Sonntag hat dafür mehrere Szenarien durchgespielt. Das Ziel: herausfinden, wie viel Kapital notwendig ist, um sich direkt vor Beginn der eigentlichen Regelaltersrente eine zusätzliche Auszeit zwischen einem und fünf Jahren zu finanzieren. Und: wie viel Geld man dafür Monat für Monat zurücklegen muss.
Eine schwierige Aufgabe, da hier viele Faktoren mitspielen. Etwa das aktuelle Alter des künftigen "Frührentners", die daraus resultierende individuelle Regelaltersgrenze (siehe Tabelle unten), das bereits vorhandene Vermögen, die gewünschte Dauer der Auszeit und die gewünschten monatlichen Auszahlungen in der Auszeit. Zudem müssen Annahmen zu Inflation und erwarteten Renditen getroffen werden.
Die Redaktion hat für drei Musterfälle - 60-Jährige, 50-Jährige und 40-Jährige - mehrere Szenarien durchgespielt. Für jeden Musterfall wurden Kapitalbedarf und notwendige Sparraten für Auszeiten von einem, drei und fünf Jahren errechnet, wenn im Monat brutto jeweils so viel Geld zur Verfügung stehen soll, wie es der heutigen Kaufkraft von 5.000, 3.000 oder 2.000 Euro entspricht. In einer Variante wurde durchgespielt, dass noch nichts für die Rente vor der Rente angespart worden ist. In einer zweiten, dass bereits 50.000 Euro für die Auszeit vorhanden sind.
Weitere Annahme: zwei Prozent Inflation. Zwar war die Teuerungsrate 2020 mit 0,5 Prozent deutlich niedriger, aber das ist ein Corona-bedingter Sondereffekt. Wir orientieren uns für unsere Berechnungen am Ziel der Europäischen Zentralbank, die Inflation im Bereich von etwas unter zwei Prozent zu halten. Sollte sie im Schnitt deutlich unter zwei Prozent bleiben, entstünde daraus letztlich ein kleiner Finanzpuffer für die geplante Auszeit.
Denn bei den Berechnungen wurde der Kapitalbedarf kaufkraftbereinigt. Es wurde also ermittelt, wie viel Geld zu Beginn der Auszeit vorhanden sein muss, damit auch der inflationsbedingte Kaufkraftverlust ausgeglichen wird. Daraus resultiert, dass ein heute 60-Jähriger, der sich in fünfeinhalb Jahren eine einjährige Auszeit bei monatlich 5.000 Euro Kaufkraft gönnen will, "nur" 67.000 Euro benötigt, während ein 50-Jähriger dafür schon 82.400 Euro braucht.
Doch um diese anzusparen, hat er zum einen 16 Jahre Zeit - was immerhin 192 Monatsraten entspricht. Zum anderen wirkt dank der längeren Ansparphase der Zinseszinseffekt stärker. Beim 40-Jährigen steigt der Kapitalbedarf für eine gleich lange Auszeit vor der Rente sogar auf 100.500 Euro. Allerdings kann er auch 26 Jahre (312 Monate) lang Kapital ansparen.
Nicht berücksichtigt wurde, dass während der Auszeit in der Regel keine Beiträge an die gesetzliche Rentenkasse fließen, mithin die künftige Regelaltersrente geringer ausfällt als ohne Auszeit. Andererseits entfallen während der "Frührente" eventuell bestimmte Aufwendungen, zum Beispiel für die tägliche Fahrt von und zur Arbeit, für Kleidung oder gar für eine Zweitwohnung. Dies kann im Einzelfall die Rechnung für die Rente vor der Rente kräftig beeinflussen und sollte daher bei der individuellen Berechnung des Kapitalbedarfs unbedingt berücksichtigt werden.
Doch zurück zu den Grundannahmen unserer Berechnungen. Zu diesen zählt auch, dass das benötigte Kapital zu Beginn der Auszeit komplett zur Verfügung steht. Begründung dafür: In der Auszahlphase sollte möglichst risikoarm angelegt werden. Am besten so, dass lediglich die Inflation ausgeglichen wird.
So wird auch bei bereits vorhandenem Vermögen verfahren: Soweit Geld für die Auszeit tatsächlich benötigt wird, soll lediglich die Inflation ausgeglichen werden. Das Geld wird also möglichst sicher angelegt. Oder möchten Sie, dass ein Börsencrash am Tag vor Beginn Ihrer Auszeit alle Ihre Träume zerstört?
Dagegen wurde vorhandenes Geld - in der Variante mit bereits angesparten 50.000 Euro -, das zur Sicherung der Auszeit nicht notwendig ist, so renditestark angelegt wie die eigentlichen Sparraten.
In Sachen Rendite wurden dabei jeweils vier Szenarien betrachtet: In der "Kopfkissenvariante" verzinst sich das angesparte Geld überhaupt nicht. Daneben wurden drei Szenarien mit einer jährlichen Verzinsung von 2,5 Prozent, 5,0 Prozent sowie 7,5 Prozent durchgespielt.
Achtung: Dabei handelt es sich um Nachsteuerrenditen, die zur Erreichung des Sparziels notwendig sind. Angenommen, der Sparerfreibetrag ist ausgeschöpft und das angesparte Kapital so angelegt, dass erst am Ende der Ansparphase Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag (der bei Kapitalerträgen noch anfällt) in Höhe von insgesamt 26,375 Prozent fällig werden. Dann muss vor Steuern eine Rendite von 3,4 Prozent erzielt werden, damit netto 2,5 Prozent übrig bleiben. Um netto auf 5,0 Prozent zu kommen, ist eine Vorsteuerrendite von rund 6,8 Prozent notwendig. Und bei 7,5 Prozent netto sogar knapp 10,2 Prozent - das schafft über längere Zeiträume kaum jemand. Tipp: maximal mit einer Nachsteuerrendite von 5,0 Prozent planen. Das ist ambitioniert genug.
Natürlich möchten die meisten, dass die monatlichen Auszahlungen möglichst hoch sind und möglichst lange fließen. Doch das dürfte oft ein unerfüllbarer Wunsch bleiben. Am ehesten können 40-Jährige, die bereits 50.000 Euro auf der hohen Kante haben, das zusätzliche Kapital für eine längere Auszeit ansparen. Wollen sie in 22 Jahren mit ihrer privat finanzierten fünfjährigen Rente vor der Rente beginnen, reicht ihnen bei einer Nachsteuerrendite von 5,0 Prozent und monatlichen Auszahlungen, die einer Kaufkraft von heute 2.000 Euro entsprechen, eine monatliche Sparrate von rund 229 Euro. Wollen Sie dagegen 3.000 Euro Kaufkraft im Monat, müssten Sie, bei sonst gleichen Bedingungen, schon 424 Euro im Monat aufbringen. Und für 5.000 Euro sogar 815 Euro - das ist für Normalverdiener kaum zu schaffen.
Dagegen ist ein Jahr Auszeit ein Kinderspiel: Sowohl bei 2.000 als auch bei 3000 Euro im Monat darf der 40-jährige potenzielle "Frührentner" mit 50.000 Euro Vermögen jeden Monat sogar Geld abheben - und die Auszeit ist immer noch finanzierbar. Dies wird in den Tabellen durch negative Sparraten signalisiert. Sogar 5.000 Euro im Monat sind für ihn ein Klacks. Bei fünf Prozent Nachsteuerrendite muss er im Monat lediglich 27 Euro ansparen. Selbst wenn er das Geld unters Kopfkissen legt, steigt die Sparrate in dieser Variante lediglich auf 54 Euro.
Viel heftiger erwischt es den, der sich erst mit 60 Jahren entschließt, für eine Auszeit Kapital aufzubauen: Hat er bisher noch gar nichts zurückgelegt, dann dürfte sich Otto Normalverdiener maximal eine einjährige Auszeit mit monatlichen "Rentenzahlungen" einer Kaufkraft von 2.000 Euro aufbauen können: Bei 2,5 Prozent Nachsteuerrendite muss er dafür jeden Monat 379 Euro zurücklegen. Selbst bei 5,0 Prozent nach Steuern sinkt die Rate lediglich auf 353 Euro.
Für alle anderen bleibt eine Frage, die auch die Frugalisten umtreibt: Wie baut man sich möglichst renditestark ein Vermögen für die ganz persönliche Auszeit auf? Eine gute Möglichkeit dafür bieten ausgezeichnete Fonds.
So lesen Sie die Tabellen
Generelle Angaben: Alter, Geburtsjahr und Regelaltersgrenze. Letztere wird seit 2012 schritt- weise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Für jeden Jahrgang ab 1964 gilt eine Grenze von 67 Jahren. In den Tabellen erfolgen die Berechnungen ohne Berücksichtigung steuerlicher Aspekte. Als jährliche Inflationsrate werden zwei Prozent angenommen. Die Sparrate wird vorschüssig berechnet. Es wird also angenommen, dass man jeweils zu Monatsbeginn einzahlt und schon für den ersten Monat Zins erhält. Die Verzinsung erfolgt außerdem unterjährig. Es wird also für jeden Monat ein Zins errechnet, was für höheren Zinseszins sorgt.
1) Es ist kein Vermögen vorhanden. Alles muss angespart werden.
2) Es sind bereits 50.000 € vorhanden. Nur das noch fehlende Kapital muss angespart werden. Dabei wird unterstellt, dass sich das vorhandene Kapital bis zur Höhe des für die jeweilige Auszeit notwendigen Kapitalbedarfs jeweils in Höhe der Inflationsrate verzinst. Ist mehr Kapital vorhanden als benötigt, verzinst sich das überschüssige Geld in gleicher Weise wie die Sparraten.
3) Drei Varianten zur Dauer der Auszeit: ein Jahr, drei Jahre und fünf Jahre.
4) Gibt den Beginn der vorgezogenen Auszeit an. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich aus gewünschter Dauer der Auszeit, jeweiligem Alter und daraus resultierend aus dem regulären Renteneintrittsalter. Beim 60-Jährigen ergibt sich wegen der Berechnung der Regelarbeitsgrenze ein ungerader Wert. Aus dem Beginn der Auszeit ergibt sich die Dauer der Ansparphase.
5) Gibt an, wie viel Kapital zu Beginn der Auszeit vorhanden sein muss, damit die gewünschte monatliche Bruttorente über die gesamte Auszeit fließen kann. Dabei wird unterstellt, dass das Kapital bis zum Beginn der Auszeit angespart wird und sich während der Auszeit lediglich in Höhe der Inflation verzinst. Hinweis: Hier wird unterstellt, dass kein Vermögen vorhanden ist. Der Kapitalbedarf ist auf glatte 100-Euro-Beträge aufgerundet.
6) Gibt an, wie hoch die monatliche Sparrate bei einer Rendite des angesparten Kapitals von 0,0 % / 2,5 % / 5,0 % / 7,5 % sein muss, um bis zum Beginn der Auszeit das notwendige Kapital zu erwirtschaften. Hinweis: Bei den Renditeangaben handelt es sich um Nachsteuerrenditen.
7) Analog zu 5), jedoch wird hier unterstellt, dass bereits 50.000 Euro vorhanden sind. Nur der restliche Kapitalbedarf ist noch anzusparen. Hinweis: Ein negativer Kapitalbedarf bedeutet, dass (ohne Kapitalentnahme) zu Beginn der Auszeit mehr Kapital vorhanden ist als nötig. Beispiel: "-23 300" bedeutet, es sind 23.300 Euro mehr vorhanden als benötigt.
8) Analog zu 6), jedoch sind die Sparraten deutlich geringer, da wegen des vorhandenen Kapitals bedeutend weniger angespart werden muss. Negative Werte bedeuten, dass monatlich entsprechende Summen ausgegeben werden könnten und die Auszeit immer noch finanziert wäre.
9) Gewünschtes monatliches Bruttoeinkommen: Es wird unterstellt, dass über die gesamte Aus- zeit hinweg eine Zahlung erfolgt, die der heutigen Kaufkraft von 5.000 Euro, 3.000 Euro oder 2.000 Euro entspricht.