Herr Beck, an den Börsen herrscht gerade mal wieder eine seltsame Situation: Die Corona-Zahlen steigen massiv, die anziehende Inflation lässt Sorgen vor einem Ende der lockeren Geldpolitik aufkommen und Aktien sind so hoch bewertet wie lange nicht. Trotzdem eilt der DAX von Rekord zu Rekord. Sind deutsche Aktien schon viel zu teuer?
Der DAX ist billig. Man darf ja nicht vergessen, dass der DAX30 nicht die Unternehmenswerte darstellt, sondern die Unternehmenswerte plus aller thesaurierten Dividendenausschüttungen. Das heißt: Während andere großen Indizes wie der Dow Jones nur auf Basis des Börsenwerts seiner Mitglieder kalkuliert werden, fließen beim DAX die Dividenden mit ein. Rechnet man die raus und macht den DAX so vergleichbarer, ist er seit der Jahrtausendwende so gut wie gar nicht gestiegen.

Gerade in den sozialen Medien gibt es diverse Crash-Propheten, die riesige Verluste an den globalen Aktienmärkten vorhersagen. Muss man sich als Anleger Sorgen machen?
Diese Propheten werden langsam leiser. Keiner hat Corona vorhergesehen, aber alle haben auch ohne externen Schock den totalen Zusammenbruch angekündigt. Das klingt im Rückblick doch regelrecht absurd. Die Wirtschaft funktioniert exzellent, wirklich unzufrieden kann man mit der Politik sein, aber das ist auch nichts Neues.

Im Internet werden in solchen nervösen Börsenphasen mittlerweile gerne Bitcoins als Krisen-Absicherung empfohlen. Motto: Wenn die Börsen crashen, werden Bitcoins profitieren! Was halten Sie davon?
Als Absicherung gegen einen totalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft galt bislang Gold. Ob der Bitcoin in einer Extremsituation die Erwartungen der Investoren erfüllen kann, ist völlig offen.

Sie haben mal gesagt, Bitcoins sind entweder das größte Schneeballsystem aller Zeiten, oder Ready-Made-Kunst. Das müssen Sie erklären.
Ein Bitcoin ist Teil einer kopiersicheren Software ohne Funktion. Als solches ist er ohne inneren Wert und auch als Währung ungeeignet. Aber er ist ein kulturell stark aufgeladenes digitales Objekt, welches den Zeitgeist widerspiegelt. Das macht ihn einzigartig, die 8800 anderen Kryptowährungen sind in diesem Sinne nur Nachahmer. Mich erinnert der Bitcoin an das Urinal, welches Marcel Duchamp 1917 fabrikneu in einem Baumarkt gekauft und zur Kunst erklärt hat. Heute gilt es als wertvoll und hängt im Museum.

Bitcoin ist für Sie also kein Mittel zur strukturierten Geldanlage, oder?
Ich bin kein Sammler von Ready Made Kunst. Ich bevorzuge die alten Meister.

Wie sieht für Sie denn professionelle Geldanlage auf wissenschaftlicher Basis aus? Genau darüber haben Sie vor wenigen Wochen erst ein Buch veröffentlicht.
Wie man langfristig alle zehn bis zwölf Jahre sein Vermögen verdoppelt ist in der Kapitalmarktforschung klar beschrieben und unbestritten: Man vereinnahmt die Marktrenditen, indem man möglichst breit in die "Welt-AG" investiert, also in die globalen Aktienmärkte. Die Investmentindustrie lebt davon, den Menschen einzureden, es gäbe noch mehr zu holen. Dafür braucht man dann Investment-Genies, Research, Prognosemodelle und so weiter. Schaut man sich aber die Realität an, dann sind die Renditen der meisten Vermögensverwalter und Fonds ein Desaster. In meinem Buch zeige ich auf, dass die einzige Renditequelle die Wirtschaft ist und wie man als Anleger am effizientesten daran partizipieren kann.

Der Untertitel Ihres Buches lautet: "Wer Angst vor Krisen hat, hat’s nicht verstanden." Was meinen Sie damit?
Für langfristige Investoren sind Krisen keine Ausnahme, sondern die Regel. Die im Buch vorgestellte Strategie hat einen umso höheren Erwartungswert, je mehr Krisen es während des Anlagehorizontes gibt. Daher braucht man keine Angst zu haben, im Gegenteil.

Die Strategie aus dem Buch setzen Sie auch in Ihrem relativ neuen Fonds Global Portfolio One (GPO) um. Wie sieht sie denn aus? Und wie hat sich der Fonds bisher geschlagen?
Die im Buch vorgestellte antizyklische Strategie gibt es schon länger, seit Herbst 2019 im Fondsmantel für jedermann. Die Corona Krise war für die Strategie wie alle früheren Krisen auch. In normalen Marktphasen ist der GPO mit 80% in über 8200 Unternehmen - der "Welt AG" ¬ investiert und mit 20% in einer Investitionsreserve, liquide Staatsanleihen mit guter Bonität. Kommt dann eine Krise, wird die Investitionsreserve aufgelöst und in Aktien umgeschichtet. Der besondere Vorteil dabei ist die Handlungssicherheit. Man braucht keine Prognose, man muss keine Krise vorhersagen. Man muss nur messen können, wann wir in einer Krise sind.

Wie geht das?
Das ist trivial. In einer Krise ist man genau dann, wenn die Kapitalkosten der Welt AG in die Höhe schießen. Das kann man in Echtzeit messen. Insofern haben wir Mitte März 2020 die Aktienquote erhöht und davon sehr profitiert. Man beachte den Unterschied zu klassischem Risikomanagement, welches die Aktienquote in der Krise senkt. Die Erholung kam dann aber bekanntlich recht schnell und seit Juli 2020 sind wir schon wieder auf Normalniveau mit 80 Prozent Aktienquote und voller Investitionsreserve von 20 Prozent, mit der wir Aktien nachkaufen, wenn die Kurse wieder niedriger sind. Die nächste Krise kann kommen.

Was dürfen Anleger von Ihrer Strategie und Ihrem Fonds erwarten?
Wir sammeln die Erträge der Weltwirtschaft ein. Dank der antizyklischen Strategie glätten wir diese innere Rendite im Fonds über Krisen hinweg. Realistisch ist damit eine Verdoppelung des investierten Kapitals alle zehn bis zwölf Jahre.

Sie haben das Buch im Internet veröffentlich und bieten es dort kostenlos zum Download an. Wieso im Internet?
Ich gebe regelmäßig Interviews bei Youtube, die sehr viel gesehen werden. So bin ich auch öfter gefragt worden, ob ich nicht mal ein Buch schreiben könnte. Da war es dann naheliegend, es gleich direkt im Internet zum Download anzubieten. Inzwischen ist es über 42000 heruntergeladen worden und ich habe sehr positive Rückmeldungen bekommen.

Vita:

"Erfolgreich wissenschaftlich investieren. Wer Angst vor Krisen hat, hat’s nicht verstanden." So lautet der Titel des Buches von Andreas Beck, dass es hier kostenfrei zum Download gibt.

Der Mathematiker und promovierte Philosoph hat 2005 das Institut für Vermögensaufbau (IVA) gegründet, ist heute Geschäftsführer bei Index Capital und hat den Portfolio-ETF (LU0397221945) und dem im Buch vorgestellten Fonds Global Portfolio One (AT0000A2B4T3) konzipiert.