Allerdings galt dies als Formalie: Da eine einfache Mehrheit genügte, hätten die Stimmen von Firmengründer und -chef Oliver Samwer und seiner Global Founders GmbH fast ausgereicht. Samwer begründete die Entscheidung für den Rückzug zum einen mit der "größeren Flexibilität im unternehmerischen Handeln" sowie den zunehmend attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Kapitalmarkts und mit geringeren Kosten. Auch der Aufsichtsrat stellte sich hinter den Schritt: "Das Delisting ist in bestem Rocket-Interesse", sagte der AR-Vorsitzende und frühere ProSiebenSat1-Manager Marcus Englert.
Bereits Anfang November dürfte der Rückzug von der Börse erfolgen, über den in den vergangenen Jahren immer wieder spekuliert wurde. Die hohen Erwartungen, die 2014 mit dem größten Börsengang einer Internetfirma in Europa seit 2000 verknüpft waren, konnte Rocket nie erfüllen. Das derzeit im SDax notierte Rocket-Papier liegt aktuell etwa 60 Prozent unter dem Ausgabepreis von 42,50 Euro. Mit dem Abgang vom Börsenparkett manifestiert sich für die Aktionäre der Verlust: Parallel zu einem Aktienrückkaufprogramm kauft ihnen Rocket die Wertpapiere für 18,57 Euro je Aktie ab - das entspricht dem gesetzlichen Mindestpreis und in etwa dem Kurs vom Donnerstag. Auf Kritik von Aktionären, die angesichts des Abschlags zum Ausgabepreis von Betrug sprachen, sagte Samwer, er wolle nicht darüber spekulieren, warum der Aktienkurs nicht höher liegt. Rocket sei nicht schlecht am Kapitalmarkt aufgetreten.
An Fragen und Wortmeldungen mangelte es auf der außerordentlichen Hauptversammlung nicht, die wegen der Corona-Krise virtuell stattfand. Vorab reichten Aktionäre und Aktionärsvertreter 180 Fragen ein, deren Beantwortung mehrere Stunden in Anspruch nahm. Zum Vergleich: Auf der regulären Hauptversammlung im Mai wurden 48 Fragen gestellt.
Rocket Internet hat sich einen Namen als Startup-Schmiede und Kapitalgeber von jungen und inzwischen selbst börsennotierten Unternehmen wie HelloFresh, Delivery Hero, Zalando oder Westwing gemacht. Diese Beteiligungen sind größtenteils längst verkauft und bescherten Rocket ein großes Kapitalpolster, das allerdings in der Corona-Krise auf zuletzt 1,2 Milliarden Euro zusammenschmolz. Inzwischen steckt das in Berlin ansässige Unternehmen sein Geld vermehrt in jüngere und weniger kapitalintensive Startups, aber auch Immobilien und Darlehen. Samwer erhofft sich durch den Börsenrückzug, leichter antizyklisch investieren und strategische Entscheidungen ohne Rücksicht auf Marktwahrnehmung und Berichtspflichten treffen zu können. Immer wieder hatte Samwer Unwillen gezeigt, Einblick in geschäftliche Entscheidungen zu geben.
rtr