Bereits Anfang 2020 wurde spekuliert, dass es Roger Federer bald in den erlesenen Club der Sportmilliardäre schaffen würde - so wie vor ihm Golfer Tiger Woods, Basketballspieler Michael Jordan und Boxer Floyd May- weather. Auf und neben dem Platz habe der Schweizer mit Preisgeldern und Werbeverträgen rund 900 Millionen Dollar eingespielt, weitere 200 Millionen seien ihm von Sponsoren bereits zugesagt, rechnete das Onlineportal tennis.com damals vor. Spätestens nach dem vielbeachteten Börsengang von On in New York dürfte es der 40-jährige Superstar geschafft haben.
2019 war der bodenständige Schweizer bei On eingestiegen. "Für mich passt das. Ich habe nie verrückte Investments getätigt", kommentierte er sein Engagement. "Ich träume zwar groß, aber wir gehen immer auf Nummer sicher." Kein Wunder, dass es der Basler bei seinen Investments konservativ mag, immerhin hat der vielleicht beste Tennisspieler aller Zeiten vier Kinder - zwei Zwillingspaare - zu versorgen. Dazu kommt eine Entourage aus Trainern, Physiotherapeuten, Managern, Köchen, die er zu großen Turnieren mitbringt. Damit sich das finanziell lohne, müsse er immer mindestens das Halbfinale erreichen, scherzte der 20-fache Grand-Slam-Sieger einmal.
Federer, geboren am 8. August 1981 in Basel, ist nicht nur einer der zehn bestbezahlten Athleten der Welt, sondern auch abseits des Tenniscourts eine Art globales Wirtschaftsunternehmen - etwa als Aushängeschild für über ein Dutzend Marken, darunter Rolex, Lindt, Credit Suisse, Mercedes-Benz und das japanische Modelabel Uniqlo. Sein Geld investiert er langfristig, um für das Ende seiner aktiven Karriere gerüstet zu sein. So ist er an der Agentur Team 8 beteiligt, die unter anderem die US-Tennisspielerin Coco Gauff betreut. Die Holding Tenro bündelt Federers Marketingrechte, Immobilieninvestments und Beteiligungen, etwa die an On.
Die Geschichte des jungen Herausforderers von Nike und Adidas begann laut Firmenchronik 2010 in den Schweizer Bergen. Drei Freunde wanderten durch das Engadin: der ehemalige Weltklassetriathlet Olivier Bernhard, der Marketingexperte David Allemann und der Ökonom Caspar Coppetti. Während der Wanderung entwickelten die drei die Idee, ein Unternehmen für revolutionäre Laufschuhe zu gründen: weich und gedämpft bei der Landung, hart und explosiv beim Abstoß, mit einem Laufgefühl wie auf Wolken. "Cloud" (Wolke) sollte der Schuh auch heißen. Die ursprüngliche Idee kam wohl von Olivier Bernhard. Ihn plagten Probleme mit der Achillessehne. Also tüftelte er zusammen mit einem Ingenieur der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich an einem Prototyp - mit zerschnittenen Gartenschläuchen, die er an die Sohle klebte.
Schon bald nach den ersten Versuchen mit dem Prototyp waren Bernhards Achillessehnenprobleme verschwunden. Die Neuentwicklung stellte er einem der weltgrößten Laufschuhhersteller vor. Dieser zeigte jedoch kein Interesse: ökonomisch unsinnig und mechanisch nicht zu realisieren. Der Triathlet gab nicht auf, in einer Garage wurden die ersten Exemplare hergestellt, und gleich im Gründungsjahr von On gewann das Start-up-Unternehmen auf der Branchenmesse Ispo den "Brand New Award" für Innovation.
Am Anfang standen Spott und Hohn
Der Start in den Markt war schwer. In jedem Sportgeschäft stehen mindestens 150 Modelle zur Auswahl. Braucht es da noch einen neuen Laufschuh - ausgerechnet einen mit Schläuchen unter der Sohle? Viele lachten die Gründer für ihre Idee aus. Heute sind die minimalistisch gestylten Laufschuhe, Outdoor- und Lifestyle-Produkte der Eidgenossen in über 8000 Läden in über 50 Ländern erhältlich.
Der Börsengang machte nicht nur Federer, sondern auch die drei Gründer reich. Sie halten zusammen rund die Hälfte aller Aktien. Zum Börsenstart erreichte die Firma einen Wert von 11,4 Milliarden Dollar - also 1,9 Milliarden pro Gründer. 883 Mitarbeiter arbeiten heute für das ehemalige Start-up. Die Schweizer machen einige Dinge anders als die großen Konkurrenten. "Während die Multis fast wie Modefirmen ständig neue Kollektionen auf den Markt werfen, überleben On-Modelle jahrelang - und erzielen durch die Positionierung als Leistungssportschuh Premiumpreise, selbst wenn ein Großteil der Treter nur als Freizeitschuh genutzt wird", schrieb das Magazin "Bilanz".
Schuhe im Abonnement
Auch beim Marketing geht On eigene Wege: Das neue Cyclon-Modell wird im Abo angeboten. Für 35 Franken im Monat kann man den Schuh nach 600 Kilometern zurückschicken und erhält ein neues Modell. 10 000 Abonnenten sollen es bereits sein. On setzt vor allem auf schnelles Wachstum im chinesischen Markt. Coppetti: "Joggen wird dort gerade populär. Wenn Chinesinnen und Chinesen anfangen zu joggen, dann machen sie das nicht einfach so als Hobby. Dann trainieren sie für Ultramarathons." Natürlich wird On dabei auf die Werbewirkung des prominenten Mitbesitzers Roger Federer setzen. Er ist auch in China ein Superstar.
Das zahlt sich auch für Netjets aus. Der Flugzeugvermieter gehört zur Holding Berkshire Hathaway von Börsenlegende Warren Buffett und gründete bereits 2014 eine Tochtergesellschaft im Reich der Mitte. Federer beschränkt sich bei Netjets nicht auf die Rolle des Markenbotschafters, er ist selbstverständlich Co-Investor und Eigentümer einiger der Maschinen, die vor allem an Geschäftsreisende vermietet werden. Er selbst nutzt die Businessjets, um zu Turnieren rund um den Globus zu fliegen - anders wäre eine Karriere als aktiver Tennisprofi in seinem Alter nicht machbar, erklärte er bereits vor Jahren in einem Interview.
Nachdem er vor einigen Wochen noch über den Rückzug vom Profisport nachgedacht hatte, lässt Federer inzwischen keine Zweifel mehr daran, dass er nach dem diesjährigen Wimbledon-Aus im Viertelfinale und den verletzungsbedingt verpassten Olympischen Spielen in Tokio auf ein baldiges Comeback brennt: "Ich will so schnell wie möglich zurück auf den Platz", sagte er vergangene Woche in einer Videobotschaft an seine Fans. Mitte August, kurz nach seinem 40. Geburtstag, hatte er sich der dritten Knieoperation seit 2020 unterzogen.
Die Zwangspause hat sich zumindest finanziell ausgezahlt. Mehr als 746 Millionen Dollar spülte ihm der Börsengang von On in New York Mitte September in die Kasse. Einen Teil seines Reichtums gibt er über die Roger Federer Foundation an die Gesellschaft zurück. Die Stiftung förderte unter anderem bereits Bildungsprogramme für 650 000 Kinder in der Schweiz und in Afrika.