Das englische Wetter ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Statt mit Nebel und Nieselregen verwöhnt der Klimawandel britische Weinberge mit Sonne. Von der Südküste bis hinauf nach York. Geradezu perfekt war das Wetter im vergangenen Jahr. Nicht zu nass und nicht zu heiß. Frazer Thomson rechnet mit einem exzellenten Jahrgang.

Als er vor 15 Jahren als Winzer auf Chapel Down in Kent begann, hielt man ihn für verrückt. Heute prosten sich selbst champagnerverwöhnte Franzosen mit Schaumwein von der Insel zu. Chapel Down notiert an der Londoner Mittelstandsbörse ISDX und hat viele treue Aktionäre - auch wegen der Naturaldividende in Form von Rabatten auf Wein und Bier. Pionier Thomson, der früher bei Heineken angestellt war, hat dem Weingut mit der Brauerei Curious Brew eine zweite Erlösquelle zur Seite gestellt. Für den Fall, dass das Wetter einmal nicht mitspielt.

Auch wenn sich die Weinanbaufläche in England in den vergangenen zehn Jahren auf 2000 Hektar verdoppelt hat - im weltweiten Vergleich sind die Briten ein Zwerg. Mit 17 000 Hektar ist der US-Konzern Constellation Brands der größte börsennotierte Winzer der Welt. Gründer Marvin Sands, der 1945 mit einem Weinvertrieb im Staat New York startete, hinterließ seinen Söhnen Richard und Rob ein florierendes Unternehmen mit eigenen Weinbergen und Brauereien. 2016 erzielte Constellation Brands einen Umsatz von 7,2 Milliarden Dollar. Für 2017 erwartet das Management bis zu 675 Millionen Dollar freien Cashflow. Rund 70 Prozent des Gewinns stammen aus dem Biergeschäft.

Um dieses sorgen sich Anleger derzeit, weil US-Präsident Trump mit Strafzöllen für Importe droht. Constellation Brands betreibt zwei Brauereien in Mexiko, die Corona, Modelo und Pacifico-Bier für den US-Markt brauen. Sollte der Gerstensaft teurer werden, würde das auf die Marge drücken. Doch das Management bleibt zuversichtlich und hob nach einem starken dritten Quartal das Jahresziel an. Constellation steht nicht auf einem Bein, sondern verfügt über ein breites Markenspektrum an Bier, Wein und Hochprozentigem. 1993 ging das Weinimperium des Napa-Valley-Pioniers Robert Mondavi an die Börse. Das Unternehmen brauchte dringend Geld. Eine Reblausplage hatte die Hälfte der Weinstöcke Kaliforniens vernichtet. Das Kapital für die Neupflanzung bekam Mondavi durch den Börsengang zwar, doch langfristig hatte das Management kein glückliches Händchen. Alte Kredite und Abschreibungen lasteten auf der Bilanz. 2004 schließlich schluckte Constellation Brands den Edelwinzer.

Bei Foster’s gehen Wein und Bier getrennte Wege. Als die Weinsparte Verluste schrieb, brachte sie der australische Bierkonzern, der inzwischen zu ABInbev gehört, 2011 an die Börse. Heute ist Treasury Wine Estate mit einer Anbaufläche von 12 117 Hektar der zweitgrößte Weinproduzent weltweit. Unter den 19 Weinmarken ist auch der legendäre Penfolds. Der Rotwein "Penfolds Grange" zählt zu den teuersten der Welt. Eine Flasche des Jahrgangs 1951 wurde jüngst für 44 400 australische Dollar (31 300 Euro) angeboten. 2015 übernahmen die Austra-lier die Weinsparte des Getränkeriesen Diageo und schafften damit den erfolgreichen Markteintritt in Großbritannien und den USA. Wachstumstreiber aber ist China. 2016 wuchs Treasury über alle Regionen zweistellig, in Asien sogar um 40 Prozent.



Hilfe aus der Hölle



Das Risiko Reblaus hat Viña Concha y Toro minimiert. Das familiengeführte Unternehmen ist mit 10 804 Hektar in Chile, Argentinien und Kalifornien an der Börse der drittgrößte Winzer der Welt. 1996 ging die Firma an die Börse, um zu expandieren. Mit Erfolg: Im Schnitt wuchs der Umsatz in den vergangenen Jahren jährlich um 13 Prozent. Concha y Toro ist für den Rotwein "Casillero del Diablo" bekannt, der seinen Namen einer Überlieferung verdankt. Don Melchior, der Gründer der Kellerei, verbreitete Ende des 19. Jahrhunderts das Gerücht, im Keller den Teufel gesehen zu haben. Und plötzlich verschwand keine Flasche mehr aus den Gewölben.

2014 durchbrach Viña Concha y Toro die Umsatzschwelle von einer Milliarde US-Dollar. Doch am Aktienkurs ist dieses Wachstum nicht erkennbar. Die Notierung in der Originalwährung entwickelte sich seitwärts. Das liegt an zwei Faktoren: Der größte Absatzmarkt von Concha y Toro ist Europa, gefolgt von Chile und Nordamerika, nur ein kleiner Teil geht nach Asien. Die Landeswährung, der chilenische Peso, war in den vergangenen Jahren tendenziell eher stark. Deshalb litt die Marge durch Translationseffekte bei den Auslandserträgen. Zudem schlug der Kauf von Fetzer in Kalifornien 2011 zu Buche. Zuletzt hatte Viña Concha y Toro recht gute Neunmonatszahlen veröffentlicht. Der Schuldenstand sank deutlich. Damit stehen die Chancen gut, dass künftig unter dem Strich mehr hängen bleibt.

Neben einem Programm zur Effizienzsteigerung soll eine zusätzliche Ertragsquelle aufgebaut werden. Denn aus 6600 wurden seit dem Jahr 2000 durch Zukäufe bis heute insgesamt 17 000 Hektar Land, nicht alles davon ist guter Boden für Wein. Ein Teil des Grundbesitzes soll in die neue Sparte Immobilien eingebracht werden. Zu den Filetstücken zählen rund 800 Hektar Land im Großraum der Hauptstadt Santiago. Angesichts des Immobilienvermögens ist die Bewertung von Concha y Toro mit einem Börsenwert von 1,2 Milliarden Euro durchaus ausbaufähig.

Dass es weder einer langen Tradition noch schierer Größe bedarf, um im Weinbau erfolgreich zu sein, zeigt eindrucksvoll Baron de Ley. 1985 kaufte eine Gruppe spanischer Winzer im Ebrotal ein Benediktinerkloster aus dem 16. Jahrhundert und baute es zum Firmensitz um. Von Anfang an stand Baron de Ley für hohe Qualitätsansprüche im Rioja-Gebiet. Auf einem Teil der 1100 Hektar werden die Trauben noch handverlesen. Weil die Spanier auch Trauben zukaufen und deren Preise zeitweise stark gefallen waren, legte die Bruttogewinnmarge auf knapp 42 Prozent zu. Das Resultat an der Börse: Seit 2009 hat sich der Aktienkurs vervierfacht.

Die Bilanz besticht mit einem hohen freien Cashflow von 39 Prozent des Umsatzes und einer Cashposition von mehr als 163 Millionen Euro. Seit 2004 kauft die Firma eigene Aktien zurück. Geht das in diesem Tempo weiter, muss Vorstandschef Eduardo Santos-Ruiz, der 46 Prozent hält, bald ein Pflichtangebot abgeben. Deshalb können sich die Analysten von Kepler Cheuvreux künftig statt der Rückkäufe auch eine Dividende vorstellen, die es bisher nicht gab. Und im Weinkeller geht das Wachstum weiter. Der hochpreisige Qualitätswein wird in 15 000 Barri-ques aus amerikanischer und französischer Eiche ausgebaut. Zuletzt investierte Baron de Ley 5,6 Millionen Euro in neue Eichenfässer und Maschinen.

Den Markt für Fässer und Zubehör dominieren zwei französische Firmen: TFF Group und Oeneo. Beide Unternehmen haben eine lange Tradition in der Herstellung von Holzfässern und Zubehör. Wachstumstreiber bei TFF waren in den zurückliegenden Jahren Whiskyfässer. Die Spirituose erlebt eine Renaissance bei den Konsumenten, weshalb die großen Konzerne aufgesprungen sind und neue Destillerien gebaut haben. Der große Run auf die Fässer aber ebbt ab. Zudem ist der Aktienkurs der operativen Entwicklung längst vorausgelaufen. Das Kursplus beläuft sich auf Sicht von fünf Jahren auf über 300 Prozent.

Auch die Oeneo-Aktie ist stark gestiegen. Der Zulieferer der Winzer stellt neben Holzfässern auch Verschlüsse her. Zwei Drittel des Umsatzes erzielen die Franzosen in Europa. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2016/17 (Ende 31. März) hat Oeneo den Umsatz um 19 Prozent auf 182,7 Millionen Euro gesteigert. Während der Umsatz bei den Holzfässern nur leicht auf 68,4 Millionen Euro zulegte, stieg der Bereich Flaschenverschlüsse um ein Drittel auf 114,4 Millionen Euro - vor allem wegen der Übernahme des portugiesischen Korkenherstellers Piedade. Oeneo bringt es auf eine Marktkapitalisierung von einer halben Milliarde Euro. Small-Cap-Liebhaber sollten wegen des geringen Freefloats streng limitieren.





Kork im Leitindex



Der Marktführer für Korkverschlüsse ist ebenfalls in Portugal ansässig. Corticeira Amorim stellt aber auch andere Produkte aus dem Naturmaterial her. Das von der Familie Amorim geführte Unternehmen arbeitet effizient, präsentiert stets hohe Margen, hat eine solide Bilanz und zahlt eine attraktive Dividende. Die Aktie stieg kürzlich in den portugiesischen Leitindex PSI 20 auf. Das sollte das Interesse der Anleger wieder verstärken, weshalb wir unsere Altempfehlung auf "Kaufen" hochstufen. Zwischendurch hatte die Redaktion zu Gewinnmitnahmen geraten.

Als solider Dividendenzahler gilt auch Vidrala. Seit 2000 schütten die Spanier ohne Unterbrechung aus. Vidrala beliefert Winzer und Getränkehersteller in ganz Europa mit Flaschen, außerdem die Lebensmittelindustrie mit Glasbehältern für Öl, Essig und Eingemachtes. 2015 wurde der britische Glasverpackungshersteller Encirc übernommen. Die Schwäche des Britischen Pfunds belastet. Dank hoher Kosteneffizienz schafften die Spanier trotz eines rückläufigen Umsatzes eine operative Marge von knapp 22 Prozent. Außerdem profitiert Vidrala von den gut laufenden Geschäften des langjährigen Partners Diageo. Beide Unternehmen feierten kürzlich gemeinsam, als die einmilliardste Smirnoff-Vodka-Flasche das Werk verließ.

Anders als in England war die Weinlese der Erntesaison 2016 eine der schwächsten der vergangenen 20 Jahre. Weltweit wurden nur 259 Millionen Hektoliter Wein angesetzt, ein Minus von fünf Prozent. Schuld war vor allem schlechtes Wetter in Südamerika. Aber auch hierzulande hatten die Winzer mit Frost, Hagel, Pilzbefall und Sonnenbrand zu kämpfen. Umso mehr kommt es auf die Qualität an. Wenn sie gut ist, dürften die Preise steigen und sogar den rückläufigen Ausstoß kompensieren. Auf dem weltweiten Weinmarkt werden derzeit rund 285 Milliarden Euro umgesetzt. Eine Studie der Marktforscher von MRS Group prognostiziert eine jährliche Wachstumsrate von 3,4 Prozent bis zum Jahr 2022.

Das kann dem deutschen Weinhändler Hawesko nur recht sein. Nach einem langen Seitwärtstrend brach der Aktienkurs Anfang des Jahres nach oben aus. Der Grund liegt in der neuen Strategie des Händlers, zu dem auch Jacques’ Wein-Depot gehört. Vorstandschef Thorsten Hermelink hat das Geschäft um zwei Beteiligungen erweitert. Während WeinArt sich auf Weine von höchster Qualität konzentriert, verbreitert Hawesko mit dem Internetmarktplatz WirWinzer den Onlinevertrieb. Hawesko wird Wachstum und Profitabilität in den kommenden Jahren deutlich ausbauen können. Allerdings sind die guten Aussichten zum großen Teil im Aktienkurs schon enthalten. Wer zugreifen will, sollte deshalb Rücksetzer abwarten.