Trotz milliardenschwerer Interventionen der Notenbank hat die Landeswährung dieses Jahr bereits 50 Prozent an Wert zum Dollar verloren. Im Kampf gegen die rasante Kapitalflucht aus dem Land hob die Zentralbank über Nacht überraschend den Leitzins von 10,5 auf 17 Prozent an. Die höheren Zinsen sollen Anlagen in Rubel attraktiver machen und Kapital im Land halten. Das von westlichen Sanktionen und dem immer dramatischeren Ölpreis-Verfall gebeutelte Russland konnte damit den Verfall der Währung jedoch nicht stoppen.

Nach der Zinserhöhung erholte sich der Rubel-Kurs zunächst, sackte aber wieder ab und sank auf ein neues Tief zum Dollar. Auch am Aktienmarkt kam es zu einem Kurseinbruch: Der Moskauer Leitindex verbuchte den größten Tagesverlust seiner Geschichte. Notenbank-Vizechef Sergej Schwezow reagierte alarmiert und sprach von einer "kritischen Lage".

Das Land wird nun voraussichtlich seine Devisenreserven zur Stabilisierung der Währung zusehends aufbrauchen. Daher werden bereits Stimmen laut, die vor Parallelen mit der Rubel-Krise von 1998 warnen: Damals war Russland zahlungsunfähig und konnte nur mit Milliardenhilfen von IWF und Weltbank über Wasser gehalten werden. "Die Zentralbank wird es sehr schwer haben, den Rubel zu stabilisieren, solange der Ölpreisverfall anhält", sagte Ökonom Wladimir Miklaschewsky von der Danske Bank. Die Talfahrt der russischen Währung hatte sich schon am Montag aus Furcht vor einer Verschärfung von Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise und wegen des weiteren Ölpreis-Verfalls beschleunigt. Analysten sprachen von Panik. US-Außenminister John Kerry bemühte sich unterdessen, die Wogen zu glätten. "Russland hat in den vergangenen Tagen konstruktive Schritte unternommen", sagte er mit Blick auf den Ukraine-Konflikt bei einem Besuch in London.

In den USA gibt es Bestrebungen, die Strafmaßnahmen gegen Russland noch zu verschärfen. Nach den Plänen des US-Kongresses sollen neue Sanktionen russische Rüstungsfirmen und ausländische Investoren in der russischen Ölindustrie treffen. Der Gesetzentwurf liegt bei US-Präsident Barack Obama, ohne dessen Unterschrift das Vorhaben nicht in Kraft treten kann. Der Westen wirft Russland vor, die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine auch militärisch zu unterstützen und das Land destabilisieren zu wollen. Russland weist die Kritik zurück. Zudem erkennt der Westen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland nicht an.

Die Europäische Union will EU-Diplomaten zufolge ab Freitag die Verbote von Investitionen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim ausweiten. Die härteren Strafmaßnahmen in den Bereichen Energie, Verkehr und Tourismus sollten am Donnerstag von den EU-Staaten schriftlich gebilligt werden und einen Tag später in Kraft treten, sagte ein Diplomat.

Mit weiteren Sanktionen dürften sich die wirtschaftlichen Probleme Russlands noch verschärfen. Die Notenbank nimmt mit ihrer jüngsten Zinserhöhung bereits in Kauf, die drohende Rezession noch zu verschlimmern. Denn hohe Zinsen machen Kredite teuer und bremsen so die Wirtschaft. Zugleich macht dem Rohstoffriesen der Verfall des in Dollar abgerechneten Ölpreises zu schaffen, mit dem immer weniger Devisen ins Land kommen. Der Preis für das Nordseeöl Brent rutschte erstmals seit Juli 2009 unter die Marke von 60 Dollar je Fass. Seit Sommer sind die Ölpreise um fast 50 Prozent eingebrochen.

rtr