Zum zweiten, als der schottische Grünen-Abgeordnete Alyn Smith den anderen Parlamentariern zurief: "Schottland hat Sie nicht hängengelassen, deshalb bitte ich Sie: lassen Sie Schottland jetzt nicht hängen." In beiden Fällen gab es stehende Ovationen von zahlreichen Abgeordneten. Deutlich wurde dabei, dass in dem Plenum die EU-Befürworter weiterhin eindeutig in der Mehrheit sind. Vor allem zeigte die Debatte, dass ein Abschied Großbritanniens aus der EU auch in dem oft als bürokratisch beschriebenen Brüssel niemanden kalt lässt.
Die hitzigsten Reaktionen bekam Ukip-Chef Nigel Farage zu spüren. Buh-Rufe begleiteten seine Rede, die er gleich mit einer Provokation eröffnete: "Ist es nicht lustig, dass Sie mich ausgelacht haben, als ich meine Kampagne für einen EU-Austritt meines Landes gestartet habe? Nun, jetzt lachen Sie nicht mehr." Besonders hoch schlugen die Emotionen, als er den EU-Abgeordneten vorwarf, dass die Mehrheit von ihnen noch nie einer regulären Arbeit nachgegangen sei.
Nach einem Brexit könnten die EU und Großbritannien durch einen Freihandelsvertrag "die besten Freunde" sein. Farage, der im Brexit-Wahlkampf mit Parolen gegen Flüchtlinge und EU-Migranten für einen EU-Austritt geworben hatte, gab sich sonst als Anwalt der kleinen Leute. Der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, konterte seine Aussagen mit dem Hinweis, dass anders als der Ukip-Chef vermutlich nicht viele seiner Wähler über Fonds in Steuerparadiesen verfügt hätten.
Angriffslustig gegenüber dem Brexit-Befürworter zeigte sich auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Farage der Lüge bezichtigte: Der Ukip-Chef habe die Unwahrheit über die finanziellen Vorzüge eines britischen EU-Austritts gesagt. Ironisch fragte Juncker zudem die Ukip-Abgeordneten, warum sie überhaupt noch anwesend seien. "Das ist das letzte Mal, dass Sie mir applaudiert haben", sagte der Luxemburger an die Brexit-Befürworter gewandt. Juncker sagte, er werde bis zum letzten Atemzug für das europäische Projekt kämpfen. Vorverhandlungen mit der britischen Regierung über das weitere Verhältnis zwischen dem Königreich und der EU werde es nicht geben.
Auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber, sonst eher ein Politiker der gemäßigten Töne, zeigte sich hart gegenüber den Brexit-Lager: "Die Zeit des Appeasement ist vorbei. Wir müssen für unsere europäische Zukunft kämpfen."