Ähnlich wie andere Sozialdemokraten zollte die Fraktionschefin und designierte Parteichefin Andrea Nahles Schulz "höchsten Respekt und Anerkennung" und forderte ein Ende der Personaldebatten. NRW-SPD-Landeschef Michael Groschek sprach von einem "notwendigen Beitrag, die Glaubwürdigkeit der SPD zu stärken". Umweltministerin Barbara Hendricks warnte davor, nur Schulz die Schuld für die Spannungen in der SPD zu geben.
Schulz selber erklärte, für ihn sei von höchster Bedeutung, dass die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag billigten, da darin wesentliche sozialdemokratische Forderungen aufgegriffen worden sein. Die Basis der SPD soll bis Anfang März über Annahme oder Ablehnung des Koalitionsvertrages entscheiden.
Auch in SPD-Kreisen hieß es, Schulz habe auf einen Kabinettsposten verzichten müssen, damit der Koalitionsvertrag gerettet werden könnte. Andernfalls sei eine Zustimmung der SPD-Mitglieder unsicher gewesen. Die innerparteiliche Debatte nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen sei unerwartet heftig gewesen, hieß es weiter. "Martin Schulz hat einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust erlitten", sagte ein Mitglied der SPD-Führung zu Reuters. Dies habe dem Parteichef schon auf dem Sonderparteitag klar sein müssen. Man habe gedacht, inhaltliche Erfolge und die "schwergewichtigen Ministerien" würden für eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag ausreichen. "Darin hat man sich getäuscht", sagte das Vorstandsmitglied. "Der Verzicht von Martin Schulz auch auf einen Kabinettsposten war notwendig." Nach einer Umfrage lehnten drei von vier Deutschen einen Wechsel von Schulz ins Außenministerium ab.
GABRIEL WARF SCHULZ INDIREKT WORTBRUCH VOR
Am Donnerstagabend hatte der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel die Debatte in der SPD mit heftiger Kritik an Schulz verschärft. Er hatte in Zeitungen der Funke-Mediengruppe über eine mangelnde Wertschätzung geklagt und der SPD-Spitze Wortbruch vorgeworfen. "Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt", sagte er, offenbar gemünzt auf frühere Zusagen von Schulz, die dieser Gabriel gegeben haben soll.
Schulz hatte unmittelbar nach Ende der Koalitionsverhandlungen am Mittwoch das Außenamt für sich beansprucht und angekündigt, Nahles solle auch den Parteivorsitz übernehmen. Er hatte dies unter anderem damit begründet, den Weg für eine Erneuerung der SPD frei zu machen. Vorwürfe, er sei damit wortbrüchig geworden, wies er zurück. Nach der Bundestagswahl hatte Schulz angekündigt, nie in ein Kabinett unter Merkel einzutreten. Er habe dies gesagt, als die Jamaika-Sondierungen von Union, FDP und Grünen noch nicht gescheitert seien. Danach habe sich die Situation anders dargestellt.
Trotz der Appelle, nun Personalfragen hintanzustellen, ging die Debatte über Posten weiter. "Sigmar Gabriel sollte Außenminister bleiben. Alles andere würde ich jetzt nicht mehr verstehen", erklärte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. Daraufhin rüffelte ihn SPD-Fraktionsvize Sören Bartol: "Lieber Johannes. Wir haben klar gesagt, dass wir NACH dem Mitgliedervotum über Personen reden." Die ehemalige Juso-Vorsitzende und SPD-Vorstandsmitglied Johanna Uekermann twitterte: "Sagt Bescheid, wenn dieser Männerzirkus vorbei ist. Ich hab's satt." Nahles wich bei der Frage nach einem Verbleib Gabriels im Außenamt aus und sagte lediglich, die Parteigremien würden sehr bald den weiteren Fahrplan beraten.
JU-CHEF FORDERT "FRISCHE KÖPFE" IN DER CDU
Auch in der CDU gärt es. Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) riet Merkel dazu, ihre Nachfolge in die Wege zu leiten. "Die CDU ist gut beraten, und die Bundeskanzlerin ist gut beraten, wenn sie die Zeichen der Zeit erkennt und einen organischen Übergang einleitet", sagte Hauk laut SWR. JU-Chef Paul Ziemiak forderte "frische Köpfe" bei den kommenden Personalentscheidungen. Die Unzufriedenheit in der Partei sei "sehr groß", insbesondere auch wegen der Ressortverteilung in einer neuen großen Koalition, sagte er im Deutschlandfunk.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch rief seine Partei auf, sich schnell auf die Zeit nach einem Abgang Merkels vorzubereiten. "Wir müssen uns in der CDU schon jetzt überlegen, wie wir uns ohne Merkel personell neu aufstellen", sagte er der "Rheinischen Post". "Denn diese Legislaturperiode kann auch sehr schnell vorbei sein." Sollten die SPD-Mitglieder gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot stimmen, gelten Neuwahlen als wahrscheinlich, da Merkel eine Minderheitsregierung ablehnt.
Nach einer Forsa-Umfrage sind die Erwartungen der Wähler an die große Koalition sehr gering. 86 Prozent der Befragten bewerten sie als eine Art "Notgemeinschaft". Trotzdem ist eine Mehrheit (52 Prozent) froh, dass eine Koalitionsvereinbarung zustande gekommen ist. 40 Prozent der Befragten sind eher besorgt über die Aussicht auf eine schwarz-rote Regierung.
rtr