Patrick Hussy ist geschäftsführender Gesellschafter der Sentix Asset Management und verantwortet das Fonds- und das Risikomanagement der Gesellschaft. Zuvor war er als Senior Portfoliomanager bei der
Deka Investment tätig. Der studierte Bankbetriebswirt (BA) und CEFA-Investmentanalyst blickt auf mehr als 20 Jahre Wertpapiererfahrung im Privatkundensegment, im Spezialfondsmanagement sowie als Research-Spezialist Behavioral Finance zurück.
Herr Hussy, welche Stimmung überwiegt derzeit bei deutschen Anlegern?
Patrick Hussy: Wir konnten in den vergangenen Tagen ein hohes Maß an Angst messen. Doch die Analyse ergibt ein sehr differenziertes Bild. So ist die Sorge vor einem kräftigen Abschwung in den USA, in Japan sowie in China zwar groß. Die Einstellung gegenüber der Anlageklasse Schwellenländer fällt aktuell sogar noch negativer aus als im Krisenjahr 2008. Dennoch halten Privatanleger dem deutschen Aktienmarkt weiterhin die Treue, obwohl die Anleger beispielsweise deutsche Autobauer, die ja Schwergewichte im deutschen Aktienmarkt sind, skeptisch sehen. Positionen wurden bislang nur in geringem Maße aufgelöst, mitunter sogar aufgestockt.
Wer jetzt nachkauft, greift ins fallende Messer?
Wir erwarten in den kommenden drei vier Wochen eine Beruhigung. Dann aber wird es jedoch erneut einen Test auf der Unterseite geben. Was wir an den Märkten derzeit erleben, ist nicht eine gesunde Korrektur in einem Bullenmarkt und auch kein Betriebsunfall. Der Abschwung ist substanziell und droht lange anzuhalten.
Deutsche Anleger verkennen den Ernst der Lage?
Sie reagieren so, als sei Deutschland eine Insel. Dass China und die Schwellenländer für die deutsche und die europäische Wirtschaft von enormer Bedeutung sind, wird verdrängt. Die Psychologie bezeichnet eine solche Einstellung als selektive Wahrnehmung.
Wie erklärt sich die Verkennung der Realität?
Die Anleger verlassen sich auf die Europäische Zentralbank. Die hat in der Vergangenheit schon oftmals die Probleme entschärft, sie wird es nach Ansicht der Investoren auch künftig tun. Die EZB, aber auch die anderen Notenbanken haben die Anleger so konditioniert, dass sie die grundlegenden Risiken des Aktienmarkts außer Acht lassen.
Ist die Notenbank schuld an den Übertreibungen am Aktienmarkt?
Von Schuld kann man nicht sprechen, die EZB hat ja kein unmittelbares Interesse an steigenden Kursen. Doch sie hält den Zinssatz künstlich niedrig und hat so lange Zeit für Fehlanreize gesorgt.
Können sich fallende Aktienkurse negativ auf die Konjunkturentwicklung auswirken?
Sicher gibt es Rückkopplungen. Wirtschaft ist ja bekanntlich zu mehr als 50 Prozent Psychologie. Eine Baisse am Aktienmarkt ist für Einkaufsmanager oder auch Firmenlenker Anlass, Investitionsentscheidungen zu überprüfen beziehungsweise zurückzuhalten.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zuletzt jedoch erneut geklettert.
Dieser spiegelt aber die Stimmung noch vor den massiven Verwerfungen in China wider. Der nächste Ifo-Bericht dürfte die Verschlechterung widerspiegeln.
Gefährdet die konjunkturelle Abkühlung die Erholung der Schuldenstaaten in der Eurozone?
Ja, die Probleme wurden ja bislang nicht nachhaltig gelöst. Das bleibt ein Dauerthema und dürfte sich verschärfen, wenn es wirtschaftlich abwärts geht.
Haben die Notenbanken noch Möglichkeiten, die Konjunktur zu stimulieren?
Auf der Zinsseite haben sie ihr Pulver weitgehend verschossen. Nicht auszuschließen aber ist, dass die US-Notenbank die für dieses Jahr anvisierte Zinserhöhung aussetzt. Auch ein weiteres QE-Programm, also der erneute Ankauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren, ist möglich. Ebenso kann die EZB kann ihre Anleihekäufe noch einmal intensivieren. Dies dürfte die Märkte beleben, obwohl es ein deutlicher Beleg für die konjunkturelle Abschwächung wäre.
Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der chinesischen Notenbank, Konjunktur und Aktienmarkt zu stützen?
Die Peoples Bank of China hat lange Zeit mit Weitsicht gehandelt. Nun aber werden fast täglich die Zinsen gesenkt, die Währung abgewertet oder sonstige Stützungsmaßnahmen angekündigt. Das lässt auf ein gewisses Maß an Panik schließen.
Japans Notenbank betreibt schon längere Zeit eine extrem lockere Geldpolitik. Ist sie erfolgreich?
Es wurde trotz der massiven Liquiditätsflut nur wenig erreicht. Dagegen sind die Schulden Japans deutlich gestiegen, nun zieht auch die Währung wieder an. Der Preis, den Japan für eine nur temporäre Erholung zahlt, ist sehr hoch.
Werden die fruchtlosen Maßnahmen der Notenbanken mittel- bis langfristig wie schon 2008 Zweifel an der Finanzmarktstabilität wecken?
Die Anleger werden sicherlich die Frage stellen, was das billige Geld bringt, wie sicher Papiergeld eigentlich ist und wie sie ihr Vermögen bewahren können.
Wird Gold wieder attraktiv?
Wir gehen von einem steigenden Goldpreis aus. Ende des Jahres könnte die Unze 1400 Dollar kosten.
Vor wenigen Wochen notierte der Goldpreis noch auf einem Fünfjahrestief. Analysten hatten seinerzeit einen weiteren Preisverfall prognos-tiziert. Was macht Sie sicher, dass Gold ein Comeback erleben wird?
Neben Analystenprognosen hat auch eine Reihe von Investmenthäusern Gold gänzlich aus ihren Portfolios verbannt. Auch die Medien malen Gold in düsteren Farben. In der Vergangenheit folgte jedoch auf ein extrem negatives Sentiment fast immer eine Gegenbewegung. Diesmal sollte es auch so sein.
Was verbinden Anleger generell mit Gold?
Das Edelmetall beruhigt, es hat in der gesamten Menschheitsgeschichte immer einen Wert dargestellt, auch wenn es keine Zinsen abwirft.
Gold soll gegen Inflation schützen. Sind denn Preissteigerungen in Sicht?
Nein, deflationäre Kräfte überwiegen. Allerdings kann eine große Deflation eine Ökonomie ebenso in die Knie zwingen wie Inflation. Auch bei anhaltend sinkenden Preisen ist Gold eine Alternative. jb