Endlich wieder positive Renditen. Das ist die erfreuliche Seite des Kursrutschs, der seit Anfang dieses Jahres durch die internationalen Rentenmärkte gefegt und allerorts zu tiefroten Zahlen geführt hat. Nachdem die Zinsen lange Jahre auf der Nulllinie oder sogar darunter festzementiert zu sein schienen, ist diese Verfestigung nun aufgebrochen. Grund ist die hohe Inflation als Folge der stark gestiegenen wirtschaftlichen Nachfrage nach der Corona-Pandemie, aber auch als Folge des Ukraine-Kriegs. Was schmerzlich für die Anleger ist, hat nun auch spürbare Folgen für die Bundesrepublik Deutschland: Ab Laufzeiten von etwa zwei Jahren muss der deutsche Staat wieder etwas bezahlen, wenn er möchte, dass ihm die Anleger frisches Geld zur Verfügung stellen.

Und der Bedarf ist hoch. Der Ukraine-Krieg treibt die Ausgaben nach oben - nun muss auch ein Sonderhaushalt über 100 Milliarden Euro für Verteidigung finanziert werden. Das alles gibt es nicht mehr zum Nulltarif. Zum Beispiel muss die Bundesrepublik dafür, dass Anleger ihr für zehn Jahre Geld zur Verfügung stellen, Anfang Mai erstmals seit 2014 wieder fast ein Prozent an Zinsen zahlen. Das heißt aber nicht, dass für den Bundeshaushalt nun die scheinbar goldene Zeit der Mittelaufnahme zu Negativzinsen schon vorbei ist. Auch in diesem Jahr hat die Bundesrepublik bis Mai Anleihen im Volumen von über 60 Milliarden Euro mit einer negativen Rendite begeben.

Höhere Kupons locken Anleger wieder zurück in den Markt

Trotzdem ist die Entwicklung der vergangenen Monate auch für Anleger in Deutschland wichtig. Denn im Euroraum wird die Europäische Zentralbank Anfang Juli wohl das erste Mal seit elf Jahren wieder ihren Leitzins erhöhen. Damit dürfte das Umfeld extrem niedriger Zinsen der Vergangenheit angehören - es sei denn, es käme zu einer Eskalation im Ukraine-Krieg. Das bedeutet aber: Im sicheren Hafen des Euroraums ist wieder eine Rendite für Investoren erzielbar. Bis diese aber tatsächlich als realer Ertrag im Depot hängen bleibt, dauert es etwas. Die Inflation ist derzeit noch viel zu hoch und der Kaufkraftverlust kann nicht von den Kupons, die auf sicheren Staatsanleihen stehen, ausgeglichen werden. Doch der Aufwärtsdruck auf die Teuerung wird über die Zeit wieder geringer werden und sich im nächsten Jahr abschwächen.

Die Aussichten sind für Rentenanleger damit deutlich besser als noch vor wenigen Monaten. Der Markt - und damit die aktuellen Renditen - preist bereits mehrere Zinserhöhungen ein. So ist das Risiko, dass die Kurse der Staatsanleihen nach dem größten Kursrutsch seit Jahrzehnten in vergleichbarem Tempo weiter fallen, eher gering. Die Wirtschaft in Europa leidet unter der Inflation, und das Wachstum schwächt sich gerade deutlich ab, auch wegen der anhaltend hohen Energiepreise als Folge des Ukraine-Kriegs. Das bedeutet: Perspektivisch dürfte der Druck auf die EZB abnehmen, die Zinsen weiter anzuheben. Nicht nur das konjunkturelle Umfeld und das Bedürfnis nach einer sicheren Anlage dürfte dann dazu führen, dass die Kurse nicht ins Bodenlose fallen. Auch die höheren Kupons locken Investoren zurück in den Markt, was die Kurse stützen sollte - obwohl die EZB ihre Staatsanleihekäufe einstellt.

Perspektivisch haben damit sichere Häfen an den Anleihemärkten wieder bessere Aussichten. Noch höhere Renditen finden sich in der europäischen Peripherie - dort sind aber auch die Risiken höher. Anleger sollten nicht vergessen, dass es eine höhere Rendite im Euroraum eben nicht zum Nulltarif gibt. Die Kehrseite der Medaille sind steigende Finanzierungskosten für Staaten und Unternehmen. Das Kreditrisiko wird also als Entscheidungsgröße bei Anlagen wieder wichtiger.

Gerade in einem Umfeld schwacher Wirtschaftsleistung werden Anleger kritischer hinschauen, wer seine Kreditzinsen besser und wer sie schlechter bedienen kann. Hier steht Deutschland vergleichsweise solide da. Auch wird die Europäische Union für eine größere strategische Unabhängigkeit in der Energieversorgung und den grünen Umbau der Wirtschaft nicht umhinkommen, mehr Schulden aufzunehmen. Aber für Länder mit einer höheren Schuldenquote wie etwa Italien könnten die Zeiten bald wieder rauer werden. Diese sind nach dem Wegfall der EZB-Anleihekäufe am Markt auf sich selbst gestellt. Hier können noch größere Kursschwankungen folgen. Anleger, die höhere Renditen in Staatsanleihen suchen, werden auch US-amerikanische Treasuries in Betracht ziehen, wo zehnjährige Papiere fast wieder drei Prozent Rendite abwerfen.

Christian Kopf
Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investment

Christian Kopf leitet seit 2017 das Rentenfondsmanagement von Union Investment. Er ist eines von sechs Mitgliedern des Union Investment Committee (UIC), das die Leitplanken für die taktische Steuerung der Union-Fonds durch die einzelnen Portfoliomanager setzt.

Union Investment ist die Investmentgesellschaft der DZ Bank und Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe.