Präsident der USA zu werden. Biden rief am Abend in seiner Siegesrede zur Einigkeit und Versöhnung auf. Trump hat rechnerisch keine Chance mehr, weitere vier Jahre im Weißen Haus zu regieren, wollte sich aber zunächst nicht geschlagen geben. Berichte über Ausschreitungen oder Gewalt lagen nicht vor.

Biden versprach in seiner Rede das tief gespaltene Land zu einen. "Lasst uns einander gegenseitig eine Chance geben", sagte er an die Anhänger von Trump gerichtet. Es sei Zeit, die harschen und hitzigen Worte hinter sich zu lassen. "Lassen Sie uns hier und jetzt damit beginnen, diese düstere Ära der Dämonisierung in Amerika zu beenden, sagte er bei dem Auftritt mit seiner zukünftigen Vize-Präsidentin Kamala Harris. Die erste Aufgabe müsse sein, die Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen. Dazu werde er am Montag ein Expertengremium zusammenstellen. Zudem versprach Biden, den wirtschaftlichen Wohlstand wiederherzustellen, die Gesundheitsversorgung zu sichern sowie Rassismus zu bekämpfen. "Dies ist die Zeit, um in Amerika zu heilen", sagte er.

Trump hielt sich ungeachtet der Berechnungen der US-Sender und Datenanbieter weiter für den Wahlsieger. "Ich habe die Wahl gewonnen, 71.000.000 legale Stimmen erhalten", schrieb er auf Twitter. Sein Wahlkampfteam hat mehrere Klagen in verschiedenen Bundesstaaten gegen die Ergebnisse angestrengt. Vertreter der Wahlbehörden sahen aber keine Hinweise auf Wahlbetrug. Experten halten es für unwahrscheinlich, dass die Klagen Erfolg haben.

HUPKONZERTE UND FREUDENTRÄNEN


Wegen der zahlreichen Briefwahlstimmen dauerte die Auszählung vier Tage, bevor klarwurde, dass Bidens Sieg feststand. Harris stellte ein Video von sich auf Twitter: "Wir haben es geschafft, Joe!" Die 56-Jährige steht für eine neue Generation in der Demokratischen Partei. Mit ihr bekommen die USA erstmals als Nummer zwei im Weißen Haus eine Frau. Zugleich übernimmt den Vize-Posten erstmals eine Schwarze, die zudem asiatische Wurzeln hat. "Obwohl ich die erste Frau in diesem Amt bin, werde ich nicht die letzte sein", sagte sie bei der Siegesrede.

In zahlreichen Städten strömten Bidens Anhänger aus ihren Häusern, nachdem mehrere große TV-Sender den Sieg ausriefen. Im New Yorker Stadtteil Brooklyn brachen Hupkonzerte aus, in Washington tanzten Menschen auf ihren Balkonen. Manche hatten Freudentränen im Gesicht, während der Rockklassiker "We are the Champions" ertönte. Doch auch Trump-Anhänger zogen auf die Straßen. In Michigan forderten etwa 200 Unterstützer des Republikaners in Lansing eine Neuauszählung der Stimmen.

MERKEL GRATULIERT


In Berlin wich die bisherige Zurückhaltung vieler Spitzenpolitiker zur US-Wahl. "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Präsident Biden", ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel twittern. "Unsere transatlantische Freundschaft ist unersetzlich, wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen." Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte an Biden gerichtet: "Mit Ihrer Präsidentschaft verbinden sich die Hoffnungen unzähliger Menschen, weit über die Grenzen Ihres Landes hinaus, auch in Deutschland. Sie stehen für ein Amerika, das um den Wert von Allianzen und Freunden, von Verlässlichkeit und Vertrauen weiß." Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble appellierte an die Republikaner, Trump klarzumachen, dass er die Niederlage akzeptieren müsse.

Auch der britische Premierminister Boris Johnson, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau gratulierten Biden. US-Finanzmarktinvestoren zeigten sich erleichtert. "Biden ist eine gute Nachricht für die Märkte", sagte Christopher Stanton von Sunrise Capital Partners. "Wir sind alle so müde davon, von den Trump-Tweets hin- und hergeschleudert zu werden."

Biden verdankt seinen Sieg vor allem dem Rückhalt bei Frauen, Afroamerikanern, gebildeteren weißen Wählern und Stadtbewohnern. Unter dem Strich hat er landesweit über vier Millionen Stimmen mehr als Trump erhalten. Wichtig ist aber, wie ein Kandidat in einzelnen Bundesstaaten abschneidet. Denn über den Sieger entscheidet letztlich nicht die Mehrheit der insgesamt abgegebenen Stimmen, sondern das Wahlkollegium. Dieses setzt sich aus Wahlleuten zusammen, die jeder Bundesstaat abhängig von seiner Bevölkerungszahl stellt.

Pennsylvania war dabei der Schlüssel zu Bidens Wahlerfolg. Der Staat mit 12,8 Millionen Einwohnern - etwas weniger als Bayern - stellt in dem Wahlkollegium 20 Wahlleute. Biden kam mit diesen zunächst auf 279 Stimmen, Trump stand bei 214, wie der Datenanbieter Edison Reasearch errechnete. Aus einigen Bundesstaaten lagen noch keine endgültigen Ergebnisse vor.

rtr