Silberpreis: Alarmstufe Rot
· Börse Online RedaktionDie beiden Edelmetalle Gold und Silber haben sich 2018 bislang ausgesprochen enttäuschend entwickelt und auf Dollarbasis 9,6 bzw. 18,0 Prozent verloren. Dies hat dazu geführt, dass beim Gold/Silber-Ratio mit aktuell 85 der höchste Wert seit zweieinhalb Jahren markiert wurde. Die Kennzahl zeigt an, wieviel Unzen Silber dem Gegenwert von einer Feinunze Gold entsprechen. In der Vergangenheit folgten auf Phasen mit hohem Gold/Silber-Ratios häufig eine Outperformance des Silberpreises gegenüber seinem "großen Bruder" Gold. Doch aufgepasst: Eine Outperformance muss sich nicht zwangsweise in einem steigenden Silberpreis niederschlagen. In Abwärtsphasen würde eine Outperformance auch vorliegen, wenn Silber weniger verlieren sollte als Gold. Grundsätzlich lässt die aktuelle Marktlage aber folgenden Schluss zu: In Relation zu Gold kann man Silber unter historischen Aspekten als "preiswert" bezeichnen.
Erheblichen Gegenwind erfährt Silber derzeit vor allem vom Terminmarkt. Zum zweiten Mal in Folge hat sich an der Comex das allgemeine Interesse an Silber-Futures signifikant reduziert. In der Woche zum 4. September ermäßigte sich die Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) von 227.300 auf 212.400 Futures (-6,6 Prozent). Im Zuge dieser Entwicklung hat sich sowohl bei großen als auch bei kleinen Terminspekulanten die Stimmung erheblich verschlechtert. Bei der kumulierten Netto-Short-Position (Pessimismus überwiegt) großer und kleiner Terminspekulanten führte dies auf Wochensicht zu einer weiteren Eintrübung von minus 1.400 auf minus 14.600 Futures. Dies stellt den stärksten Pessimismus seit über zwanzig Jahren dar.
Verantwortlich hierfür waren vor allem Großspekulanten (Non-Commercials), deren Netto-Short-Position mittlerweile von minus 16.600 auf minus 29.000 Kontrakte abgesunken ist. Eine solch negative Stimmung hat es in dieser Gruppe von Marktakteuren ebenfalls seit über 20 Jahren nicht gegeben. Nur zur Erinnerung: Mitte Juni waren große Terminspekulanten mit 50.000 Kontrakten netto long, also mehrheitlich optimistisch gestimmt. Vor zwölf Monaten lag dieser Wert sogar bei 75.000 Futures. Weniger heftige Stimmungsschwankungen gab es hingegen bei kleinen Terminspekulanten (Non-Reportables) zu beobachten. Sie haben innerhalb einer Woche lediglich ihre Netto-Long-Position von plus 15.200 auf 14.400 Futures (-5,3 Prozent) zurückgefahren. Und auch auf Sicht von mehreren Monaten fiel deren Stimmungseintrübung vergleichsweise moderat aus. Fazit: Seit der Jahrtausendwende war die Stimmung unter den spekulativen Marktakteuren noch nie so schlecht wie aktuell. Es lässt sich natürlich nicht ausschließen, dass diese - in der Regel kurzfristig orientierten Spekulanten - durch anhaltende Verkäufe den Silberpreis weiter belasten werden, auf lange Sicht eröffnet der Kauf von Silber aber erhebliches Gewinnpotenzial.
Auf Seite 2: Alarmstufe "Rot" beim Silber Chart
Hochspannung herrscht beim Blick auf die charttechnische Entwicklung des Silberpreises. Bei anhaltendem Verkaufsdruck droht nämlich ein Rutsch unter die Marke von 14 Dollar. So tief notierte das Edelmetall letztmals zum Jahreswechsel 2015/2016. Wichtig zu wissen: Noch zeigt der Timingindikator Relative-Stärke-Index (aktuell: 32 Prozent) keine überverkaufte Lage an. Ein Kaufsignal entstünde, wenn der RSI die Hürde von 30 Prozent von unten nach oben durchschneidet. In den vergangenen eineinhalb Jahren folgten auf solche Kaufsignale jedoch bestenfalls "Strohfeuer" von in der Spitze etwas mehr als zehn Prozent. Aufgrund der nachfolgenden Talfahrten kann man sie daher eher als "Bullenfallen" einordnen. Höchste Priorität hat nun das erfolgreiche Verteidigen der unterhalb von 14 Dollar verlaufenden Unterstützungszone. Ein Wegbrechen würde höchstwahrscheinlich eine weitere Verkaufswelle nach sich ziehen.
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.