Silberpreis: Heftiger Ausverkauf unter Terminmarktprofis
· Börse Online RedaktionEinmal pro Woche verfolgen Silberfans mit großer Aufmerksamkeit den Bericht über die aktuelle Stimmung an der Terminbörse Commodity Exchange, wo über die Futures und Optionen der Silberpreis maßgeblich beeinflusst wird. In dem Bericht erfahren sie, welche Trends und Transaktionen bei Silber-Futures auf Wochensicht registriert wurden. Durch die Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) erfahren Anleger unter anderem, ob das allgemeine Interesse an Silber-Futures gestiegen oder gesunken ist. Wichtig zu wissen: Ein Terminkontrakt auf Silber repräsentiert (zumindest auf dem Papier) den Gegenwert von 5.000 Feinunzen Silber. Beim Commitments of Traders-Report interessieren sich Anleger aber in erster Linie dafür, welche Transaktionen unter den verschiedenen Gruppen von Marktakteuren im Berichtszeitraum registriert wurden. Dies zeigt den Anlegern auf, wie sich im Vergleich zur Vorwoche die aktuelle Stimmungslage unter den kommerziellen Branchenangehörigen (Commercials), den Großspekulanten (Non-Commercials) und den Kleinspekulanten (Non-Reportables) entwickelt hat. Dadurch erfährt man dann, wer optimistischer, wer skeptischer und wer pessimistischer geworden ist.
In der Woche zum 1. Mai hat sich die Stimmung der spekulativen Marktakteure massiv eingetrübt. So hat sich auf Wochensicht die kumulierte Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) von 31.600 auf 12.000 Futures (-62,1 Prozent) kräftig reduziert. Diese Entwicklung war vor allem auf die Transaktionen großer Terminspekulanten (Non-Commercials) zurückzuführen. Sie haben nämlich ihr Short-Exposure um fast 20.000 Kontrakte nach oben gefahren, was deren Netto-Long-Position (Optimismus überwiegt) von 12.000 Futures in eine Netto-Short-Position von (Pessimismus überwiegt) verwandelt hat.
Kleinspekulanten (Non-Reportables) sind im Berichtszeitraum hingegen relativ cool geblieben. Sie haben nämlich ihre Netto-Long-Position von 19.600 auf 19.200 Futures (-2,0 Prozent) lediglich leicht reduziert. Aus charttechnischer Sicht spitzt sich die Lage des Silberpreises aufgrund der zu beobachtenden Keilformation immer mehr zu. Außerdem befindet sich sowohl die mittelfristige 100-Tage-Linie als auch die langfristige 200-Tage-Linie in Reichweite. Ein nachhaltiges Überwinden würden Chartisten als klares Kaufsignal interpretieren. Für erhöhte Spannung wäre somit auf jeden Fall gesorgt.
Auf Seite 2: US-Münznachfrage im Sinkflug
Im April kletterte die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen zeitweise über die "magische Marke" von drei Prozent. Dadurch kann man in den USA - im Gegensatz zu Deutschland - inflationsbereinigt wieder positive Realzinsen erzielen. Für Edelmetalle wie Gold und Silber erhöhen sich dadurch die sogenannten Opportunitätskosten, die sich aus dem Verzicht auf diese Zinsen ergeben. Offensichtlich hat dies das Interesse der US-Anleger an physischem Silber spürbar gedämpft. Die aktuellen Absatzzahlen der US Mint sind hierfür der beste Beweis. In den ersten vier Monaten wurden nämlich lediglich etwas mehr als sechs Millionen Feinunzen Silber in Form von "American Silver Eagles"-Münzen ausgeliefert. Gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert entspricht dies einem Rückgang in Höhe von 32 Prozent. Zur Erinnerung: Gegenüber 2016 beläuft sich das Minus sogar auf 68 Prozent. Gerade dieses Desinteresse macht das mit Abstand günstigste Edelmetall unter antizyklischen Aspekten derzeit möglicherweise besonders interessant.
Ein anderer Aspekt spricht derzeit ebenfalls für Silber: das historisch hohe Gold-Silber-Ratio. Diese Kennzahl zeigt nämlich an, wieviel Feinunzen Silber benötigt werden, um eine Feinunze Gold zu erwerben. Mit aktuell fast 80 deutet sie derzeit darauf hin, dass der Kauf von Silber - verglichen mit Gold - aussichtsreicher erscheint. Anfang 2016 stürzte das Gold/Silber-Ratio zum Beispiel von über 85 auf unter 65 ab. Während dieser Marktphase zog der Silberpreis um über 40 Prozent an. Da beim Kauf von Silberbarren bzw. -münzen Mehrwertsteuer anfällt, bieten sich physisch besicherte Silber-ETFs wie zum Beispiel der ZKB Silver (SIN: CH 018 313 599 2) oder der iShares Silver Trust (ISIN: US 464 28Q 109 4) als interessante Investmentalternative an.
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat.
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.