Die beiden Edelmetallen Gold und Silber werden an den Finanzmärkten häufig auch als alternative Krisenwährungen mit Substanz betrachtet. Zwischen ihnen gibt es aber - nicht nur mit Blick auf den Preis - enorme Unterschiede, die Anleger auf jeden Fall im Auge behalten sollten. Derzeit beläuft sich zum Beispiel das Gold/Silber-Ratio auf 79. Das heißt: Für eine Feinunze Gold kann 79 Feinunzen Silber kaufen. In der Finanzwelt spricht diese historisch hohe Kennzahl eher für Silber. In der Vergangenheit folgten nämlich auf solche Phasen häufig Zeiträume, in denen Silber eine deutlich bessere Performance als Gold erzielte. Weitere wichtige Unterschiede bestehen in der Tatsache, dass der Silberpreis deutlich stärker schwankt als Gold und rund die Hälfte des Silberangebots in diversen Industriebereichen verarbeitet wird, wodurch sich eine starke Konjunkturabhängigkeit ergibt. Wer das Edelmetall in Form von Barren oder Münzen besitzen möchte, sollte zudem beachten, dass ein solcher Kauf der Mehrwertsteuer unterliegt und dies zu einem klaren Renditenachteil führt, schließlich muss die Steuer über eine entsprechend positive Preisentwicklung wieder "reingeholt" werden.

In den vergangenen sechs Wochen hat der Silberpreis zehn Prozent an Wert verloren, was vor allem auf den nachlassenden Optimismus großer Terminspekulanten (Non-Commercials) zurückzuführen war. Beim allgemeinen Interesse an Silber-Futures, welches durch die Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) zum Ausdruck kommt, gab es in der Woche zum 24. Juli zwar einen leichten Anstieg von 212.500 auf 214.600 Futures (1,0 Prozent) zu vermelden, die Zuversicht der spekulativen Marktakteure hat aber spürbar gelitten. Vor allem Großspekulanten sind im Berichtszeitraum durch ein massives Hochfahren ihres Short-Engagements deutlich skeptischer geworden. Summa summarum gab es bei der kumulierten Netto-Long-Position (Optimismus überwiegt) großer und kleiner Terminspekulanten einen Rückgang von 25.100 auf 20.100 Futures (-16,3 Prozent) zu vermelden, nachdem sechs Wochen zuvor noch ein Wert von 67.400 Kontrakte registriert worden war.

Hauptverantwortlich für diesen Stimmungsdämpfer waren große Terminspekulanten, deren Netto-Long-Position sich innerhalb einer Woche von 8.900 auf 3.600 Kontrakte (-59,6 Prozent) besonders kräftig reduziert hat. Kleine Terminspekulanten sind hingegen etwas zuversichtlicher geworden, was sich am leichten Anstieg der Netto-Long-Position von 16.200 auf 16.500 Futures (+1,9 Prozent) ablesen lässt. Für die Akteure an den Silbermärkten stellt sich nun vor allem eine Frage: Werden sich Großspekulanten weiterhin massiv aus Silber-Futures verabschieden? Da deren Short-Exposure mit über 84.000 Futures auf Rekordniveau notiert, ist die Gefahr eines Short-Squeeze derzeit ziemlich groß. Ein solches Ereignis tritt meist dann ein, wenn ein unerwarteter Preisanstieg Short-Eindeckungen auslöst, um drohende Verluste zu begrenzen.

Auf Seite 2: Charttechnischer Boden akut gefährdet

Das Jahr 2008 erwies sich für den Silberpreis als ausgesprochen enttäuschend. Nach einer mehrmonatigen Seitwärtsphase verletzte das Edelmetall Ende Juni die im Bereich von 16,20 Dollar angesiedelte Unterstützungszone. Derzeit kämpft der Silberpreis mit dem charttechnischen Boden, der bei 15,70 Dollar verläuft und seit Ende 2016 insgesamt dreimal erfolgreich verteidigt wurde. Zweifellos kann das charttechnische Sentiment als eindeutig negativ bezeichnet werden. Sowohl die mittelfristige 100-Tage-Linie als auch die langfristige 200-Tage-Linie wurden unterschritten und haben im Frühjahr einen Trendwechsel nach unten vollzogen, was in der Chartlehre als klares Verkaufssignal gilt.

Ein bisschen Hoffnung keimt allerdings auf, weil der Timingindikator Relative-Stärke-Index in der zweiten Julihälfte die Marke von 30 Prozent überwunden hat, was Chartisten in der Regel als Einstiegssignal interpretieren. Im Dezember folgte auf ein solches Signal eine Erholungsphase um elf Prozent. Sollte es bei Silber jedoch zu einem weiteren Ausverkauf kommen, wäre es wichtig, das zum Jahreswechsel 2015/2016 markierte Mehrjahrestief bei 14 Dollar erfolgreich zu verteidigen. Dies könnte dann nämlich die Ausgangsbasis für einen langfristigen und nachhaltigen Trendwechsel bilden.

Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.