Oft folgen die Kurse von Anlageklassen wie Aktien, Staatsanleihen und Rohstoffen verlässlichen Trends. Zukünftiges Preisverhalten orientiert sich dabei an der jüngeren Vergangenheit. Vor dem Hintergrund, dass sich viele Dinge in der realen Welt über eine gewisse Periode recht stabil fortsetzen (etwa Trends in der Mode), erstaunt es wenig, dass es auch bei den Börsianern und ihren Aktien solche Trends gibt. Die Existenz von länger anhaltenden Kurstrends wird oftmals mit irrationalem Verhalten der Anleger erklärt. Investoren gelingt es ganz offensichtlich sehr häufig nicht, ihre ursprüngliche Einschätzung einer Aktie aufgrund neuer Informationen umgehend adäquat anzupassen. Sie sind nicht bereit, überraschend hohe oder unerwartet niedrige Unternehmensergebnisse unvoreingenommen zu interpretieren. Dies hat zur Folge, dass Über- und Unterbewertungen entstehen, welche sich erst im Lauf der Zeit wieder auflösen.
Ebenfalls zu den irrationalen Verhaltensmustern gehört die naive Extrapolation. Dabei machen Investoren den Fehler, Vergangenheitsdaten wie das Gewinnwachstum der Vorjahre zu weit in die Zukunft zu extrapolieren. Es werden Verläufe aufgezeichnet, die letztlich so nicht eintreten und somit Überreaktionen hervorrufen. Dies zeigt sich deutlich bei sogenannten "Glamour"- und "Value"-Aktien. Glamourtitel sind Wertpapiere, die wegen ihres herausragenden Geschäftserfolgs bereits eine ansehnliche Wertsteigerung hinter sich haben. Aufgrund ihrer erfreulichen Kursentwicklung steigen sie zu den Lieblingen der Analysten auf, welche die Zukunftsaussichten dann allzu rosig malen. Im Gegenzug werden Value-Aktien vor dem Hintergrund eines eher kritisch beurteilten Geschäftsgangs übermäßig abgestraft und von immer mehr Analysten vernachlässigt.
Weitverbreitet ist auch das Phänomen der Selbstüberschätzung. Mancher Anleger erliegt der Illusion, über besondere Fähigkeiten oder über einen besonders hohen Wissensstand zu verfügen, was mitnichten der Fall ist. Dennoch: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer am Aktienmarkt sind der Überzeugung, besser informiert zu sein als der durchschnittliche Börsianer! Die Folge ist, dass vielfach zu hohe Risiken eingegangen werden, die bei "klarer Sicht" gemieden würden. Dabei stehen vor allem jene Aktien in der Gunst der Käufer, die sich durch speziell hohe Volatilität auszeichnen und damit ein besonderes Wagnis darstellen. Links liegen gelassen werden hingegen gerne sogenannte Qualitätstitel, die sich durch Schwankungsarmut auszeichnen und eher langweilig, aber doch ertragreich sind.
Wie ist diesen Verhaltensanomalien beizukommen? Die Antwort lautet: mit systematischer Anlage in Faktorprämien. Wer von den oben beschriebenen Kurstrends profitieren möchte, setzt nicht aus dem Bauch heraus, sondern diszipliniert auf die sogenannte Faktorprämie "Momentum". Dabei halten Anleger von Aktien Abstand, die sich unerfreulich entwickelt haben, und investieren in Anteilscheine, die in einem definierten Zeitraum eine positive Kursentwicklung aufweisen. Wer Missgriffe als Folge der naiven Extrapolation vermeiden will, investiert konsequent in die Faktorprämie "Value". Sie konzentriert sich auf Aktientitel mit niedriger Bewertung und profitiert vom überdurchschnittlichen Aufwärtspotenzial. Wer schließlich aus der Selbstüberschätzung der Marktteilnehmer Nutzen ziehen möchte, wendet sich strikt der Faktorprämie "Quality" zu. Hier wird das Anlageuniversum nach definierten Qualitätseigenschaften wie zum Beispiel freien Cashflows durchleuchtet und nur in die Aktien von Unternehmen investiert, die sich dabei besonders auszeichnen.
Systematische Anlagestrategien und aktive Fonds mit Fokus auf spezifische Faktorprämien nutzen Fehlbewertungen basierend auf Verhaltensanomalien gezielt aus. Diese Rechnung geht so lange auf, wie Investoren menschliches Verhalten an den Tag legen - das wird wohl noch eine ganze Weile so sein.
Jan Sobotta ist seit 2015 Leiter Sales Ausland der Swisscanto Asset Management S.A. in Frankfurt am Main. Ins Unternehmen trat der Betriebswirt im Jahr 2010 ein. Die Swisscanto Asset Management International ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Swisscanto Holding AG und bietet zahlreiche Fondsprodukte an, darunter auch systematisch beziehungsweise regelbasiert investierende Fonds.