Angesichts steigender Benzinpreise an den Tankstellen nimmt die Debatte um einen Sondersteuer für Ölkonzerne Fahrt auf. Nachdem die Wirkung der seit 1. Juni geltenden Steuerentlastung auf Sprit schon wieder verpufft ist, sehen sich Ölkonzerne wie Shell zuneh- mend mit Vorwürfen konfrontiert, sie würden die Tankrabatte nicht an die Autofahrer weitergeben und stattdessen "Kasse machen", wie es etwa der Autofahrerlobbyverband ADAC formulierte. Kommt jetzt also eine Übergewinnsteuer?
Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, Marcel Fratzscher, bezeichnete die Steuersenkung als Fehler. "Der größte Teil der drei Milliarden Euro an Steuergeldern wird in den Taschen der Mineralölkonzerne landen", sagte Fratzscher. Der Ökonom schlägt stattdessen vor, nach dem Beispiel von Italien und Großbritannien eine "Übergewinnsteuer für Mine- ralölkonzerne" einzuführen. Diese soll auf zusätzliche Umsätze im Vergleich zu 2021 erhoben werden und 50 Prozent auf zusätzliche Gewinne betragen. Immer mehr Politiker vor allem von SPD und Grünen fordern diese Steuer. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt sie vor allem aus steuerrechtlichen Gründen ab.
In der Juni-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag befassten sich die Teil- nehmer ebenfalls mit den milliardenschweren Inflations-Entlastungspaketen der Ampel-Koalition für Verbraucher, also neben dem Tankrabatt auch mit dem Neun-Euro-Ticket. 86 Prozent der Experten halten diese Maßnahmen für nicht effektiv, um die Folgen der Inflation abzufedern. Die noch grundsätzlichere Frage, ob der Staat überhaupt in der Lage ist, inflationsbedingte Wohlstandsverluste über Transfers und Gesetze abzufedern, beantworten zwei Drittel (67 Prozent) mit nein.
"Ökonomischer Unsinn"
Vor allem die Kraftstoffverbilligung wird als "ökonomischer Unsinn" (Karl Mosler, Uni Köln) und Belastung für den Haushalt kritisiert. "Auch das Geld für das Neun-Euro-Ticket hätte man besser für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verwenden sollen." David Stadelmann von der Uni Bayreuth sieht das ähnlich: Tankrabatt und Neun- Euro-Ticket würden massive Budgetschäden verursachen, seien nicht nachhaltig und kaschierten Probleme, statt sie zu lösen. Unterdessen hat sich die Einschätzung der führenden Ökonomen zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland im Juni wieder etwas aufgehellt - trotz Ukraine-Krieg, Inflation und China-Risiken. So legte das Ökonomen-Barometer um fünf Prozent auf 42,7 Punkte zu. Der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate verbesserte sich um 9,5 Prozent auf 32,7 Punkte.
Eintrübung möglich
Einige Experten wie Guido Baldi vom DIW rechnen dennoch damit, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal vorübergehend schrumpfen könnte. In den ersten drei Monaten 2022 hatte es nach Angaben des Statistischen Bundesamts beim Bruttoinlandsprodukt dank anziehender Investitionen noch zu einem kleinen Plus von 0,2 Prozent gereicht. In den kommenden Quartalen könnten vor allem die hohen Energiepreise den Konsum belasten, die Unsicherheit die Unternehmensinvestitionen dämpfen und steigende Zinsen den Wohnungsbau bremsen. Friedrich Heinemann vom ZEW sieht steigende Gefahren einer Doppelrezession USA-China.