"China umgarnt Europa", sagt der stellvertretende Direktor des China-Forschungsinstitut Merics in Berlin, Mikko Huatori, deshalb. Und die Bundesregierung und deutsche Firmen müssen überlegen, ob sie sich auf der Suche nach neuen Partnern stärker an die kommende Supermacht anlehnen sollen und wollen.

"Dieser Besuch ist nicht normal", sagt deshalb Huotari, der von "neuem Schwung, aber ohne Enthusiasmus" spricht. Zumindest wirtschaftlich sind die Beziehungen jedoch weiter im Aufschwung. Das Handelsvolumen betrug im vergangenen Jahr 186 Milliarden Euro, mit leichtem chinesischen Export-Überschuss. China war damit das zweite Jahr in Folge der wichtigste deutsche Handelspartner zumindest im Güterbereich. Und es wird erwartet, dass am Montag nach dem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit Li ein Bündel von Wirtschaftsvereinbarungen in zweistelliger Milliardenhöhe unterzeichnet wird. "Wir wollen gerade bei den Wirtschaftsthemen noch weiter vorankommen bei der Zusammenarbeit", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Doch in Berlin und in Wirtschaftskreisen verbirgt man nicht, dass die Freude nicht ungetrübt ist. Denn angesichts der dunklen Wolken über den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen droht die Abhängigkeit des Industrielandes Deutschland von der chinesischen Wachstumslokomotive immer weiter zu wachsen. Deshalb werden die guten Geschäfte zumindest von einem Unwohlsein begleitet - zumal China mit seiner wachsenden Macht auch seine Muskeln spielen lässt. Dass ausgerechnet China sich nun als Bewahrer des weltweiten Freihandels geriert, obwohl sich das Land im internationalen Vergleich stark abschottet, wird zudem als Problem gesehen. Doch Chinas Ministerpräsident Li Keqiang beschreibt beide Länder als Speerspitzen einer multilateralen Ordnung. Beide müssten in einer von Turbulenzen geprägten Welt "zu Vorbildern einer für beide Seiten gewinnbringenden Zusammenarbeit werden", schreibt er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

"GERECHTES, OFFENES UMFELD"

Wie zwiespältig das Verhältnis ist, zeigt der Fall des chinesischen Batterieherstellers CATL, der Insidern zufolge ein Werk in Thüringen bauen will. Eigentlich wird die Entscheidung von der Politik begrüßt. Aber sie unterläuft zugleich das Ziel der Bundesregierung, dass die europäische Industrie selbst wieder in die Batterietechnologie einsteigt. Dazu kommt die Debatte, ob Deutschland und die EU stärker eigene Technologiefirmen vor Aufkäufen aus China schützen sollten.

Li forderte angesichts dieser Abwehrdiskussion jetzt ausdrücklich mehr Offenheit. Er hoffe, "dass Deutschland seine Bedenken zurückstellt und für chinesische Unternehmen, die in Deutschland oder Europa investieren und Firmen gründen wollen, ein gerechtes, offenes Umfeld sowie einen stabilen institutionellen Rahmen schafft", schrieb Li - und hofft, Merkel an seiner Seite zu haben. Denn die hatte bei einem Besuch in Peking Ende Mai gesagt: "Ich will ausdrücklich sagen, dass uns das recht ist, dass das in Ordnung ist."

Dazu kommt jedoch auch der restriktive innenpolitische Kurs unter Präsident Xi Jinping. Zwar werden sich am Montag auch viele Minister bilateral mit ihren Kollegen treffen. Aber die Hoffnungen auf deutscher Seite, dass sich China etwa durch die Rechtsstaats- oder Menschenrechtsdialoge in Richtung Öffnung der Gesellschaft verändern könnte, sind zerstoben. "Haben wir überhaupt noch irgendeinen Einfluss?" fragt die China-Expertin von Merics, Kristin Shi-Kupfer. Früher habe man mit China noch über die universelle Auslegung der Menschenrechte gestritten, heute sei noch nicht einmal das möglich. Auch die Aussicht, sich in einer vertraulichen Diplomatie etwa für inhaftierte Aktivisten in China einzusetzen, schwinde.

Deshalb wird im Zentrum dieser Regierungsgespräche eher die Zusammenarbeit auf technologischem Gebiet stehen. Seit Wochen hatten beide Regierungen etwa eine Zusammenarbeit beim autonomen Fahren vorbereitet. Dies soll nun auch Thema beim Treffen Li mit der Kanzlerin werden.

rtr