Bundeskanzlerin Angela Merkel will mögliche Überschüsse vor allem in die Infrastruktur stecken. "Wenn wir mehr Geld haben, geben wir es im Zweifelsfall in Richtung Investitionen", sagte die CDU-Vorsitzende in Berlin. "Wir haben viel zu tun, um unsere Verpflichtungen der Straßeninvestitionen überhaupt aufrecht erhalten zu können. Das ist für uns die allererste Pflicht." Dazu gehörten aber nicht nur Straßen, sondern auch der digitale Breitbandausbau und die Stromnetze. Darüber würden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verkehrsminister Alexander Dobrindt sprechen.
Ökonomen weisen seit langem darauf hin, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten zu wenig investiert. Viele europäische Staaten hoffen, dass höhere Ausgaben in Deutschland auch die Konjunktur der Euro-Zone beleben und damit die Schuldenkrise lindern wird. Ob dieses Thema auch Gegenstand des Telefonats Merkels mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, war, ließ ihr Sprecher Steffen Seibert offen. Draghi hat zuletzt mehr Investitionen in der Euro-Zone gefordert, um die Deflationsgefahren zu bekämpfen und die Konjunktur anzuschieben. Besonders Frankreich und Italien fordern eine Abkehr vom Sparkurs, um ihre Wirtschaft in Gang zu bringen. Beide Länder leiden unter der jahrelangen Konjunkturflaute und hoher Arbeitslosigkeit.
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"ZWEITES HALBJAHR WIRD SCHLECHTER"
Ökonomen warnen angesichts gestiegener Konjunkturrisiken allerdings davor, die gute Zwischenbilanz Deutschlands auf das Gesamtjahr hochzurechnen. "Das zweite Halbjahr wird deutlich schwächer ausfallen", sagte der Ökonom Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), der dem amtlichen Steuerschätzerkreis angehört. "Ein Grund dafür ist der konjunkturelle Gegenwind."
Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte bereits zwischen April und Juni um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Das war der erste Rückgang seit gut einem Jahr. Internationale Krisen - vor allem der drohende Handelskrieg mit Russland wegen des Ukraine-Konflikts - könnten auch weiter dämpfen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) betonte, man müsse die Gefahr einer Rezession ernst nehmen. "Deutliche Belastungen für den Haushalt bedeuten zudem die Mütterrente und die Rente mit 63, die erst zum 1. Juli in Kraft getreten sind", sagte Boysen-Hogrefe.
Auch die CDU mahnt mit Blick auf den Bundesetat zur Vorsicht. "Solange wir noch neue Schulden machen, wie für 2014 letztmals vorgesehen, kann die Antwort nur lauten: Abbau der Neuverschuldung", sagte CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle zu Reuters. Sein SPD-Kollege Johannes Kahrs warnt vor neuen Ausgabenwünschen. "Es gilt der Grundsatz: Man gibt Geld erst dann aus, wenn man es auch hat. Der Überschuss ist erfreulich, aber nur eine Momentaufnahme."
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LÄNDER MIT ROTEN ZAHLEN
Der Gesamtstaat hatte bereits 2013 einen Überschuss von 0,3 Prozent geschafft, 2012 waren es 0,1 Prozent. Die gute Ausgangsposition in diesem Jahr sei vor allem "einer sehr günstigen Beschäftigungssituation" zu verdanken, erklärten die Statistiker. Im zweiten Quartal wurden 42,5 Millionen Erwerbstätige gezählt - 340.000 mehr als ein Jahr zuvor. Dadurch stiegen die Einnahmen aus der Lohnsteuer und den Beiträgen zur Sozialversicherung kräftig, zumal auch die Gehälter merklich wuchsen.
Der Bundeshaushalt lag in den ersten sechs Monaten mit 4,0 Milliarden Euro im Plus. Dazu trug die Bundesbank maßgeblich bei: Sie überwies von ihrem Gewinn 4,6 Milliarden Euro nach Berlin, vier Milliarden mehr als ein Jahr zuvor. Zudem profitiert Schäuble von extrem niedrigen Zinsen, da deutsche Staatsanleihen in der Schuldenkrise als sicherer Hafen von Anlegern angesteuert werden. Der gesamte Staat zahlte 9,3 Prozent weniger Zinsen als ein Jahr zuvor.
Im Gegensatz zum Bund meldeten die 16 Länder ein Defizit von zusammen 0,2 Milliarden Euro, nachdem ein Jahr zuvor noch ein Plus von 1,3 Milliarden Euro gelungen war. Der Überschuss der Gemeinden belief sich auf 5,3 Milliarden Euro und fiel damit im Vorjahresvergleich um knapp eine Milliarde Euro niedriger aus.
Reuters