Herr Miller, der US-Aktienmarkt brach zuletzt ein. Was kommt jetzt?
Bill Miller: Wieder steigende Kurse, die Korrektur ist vorbei.
Was macht Sie da so sicher?
Nach über drei Jahren mit Kursgewinnen ist eine Korrektur um mehr als zehn Prozent nichts Ungewöhnliches. Mich bestätigt zudem, dass der Höhepunkt der Panik erreicht scheint. Ich messe das an Mittelabflüssen im Fonds. In den ersten Tagen mit Kursverlusten hatten wir Zuflüsse. Die fallenden Kurse machten vielen offenbar noch nicht genug Angst. Doch Anfang September kamen die Abflüsse. Nun scheint es mir so, dass die Investoren ihr Geld in Sicherheit gebracht haben. Damit ist der Verkaufsdruck aus dem Markt.
Dass der Verkaufsdruck weg ist, muss im Umkehrschluss aber nicht bedeuten, dass auch wieder gekauft wird.
Ich denke schon, dass wieder gekauft wird. In den USA erleben wir den längsten Bullenmarkt aller Zeiten. Man muss sich folgende Frage stellen: Was ist das ideale Umfeld für Aktieninvestoren? Sie wollen solides Wirtschaftswachstum: nicht zu schnell, nicht zu langsam, sondern zwischen 2,5 und 3,5 Prozent. Sie wollen konstant sinkende Arbeitslosenzahlen, keine Inflation und Leitzinsen, die so niedrig sind, dass Anleger ihr Geld nicht aus dem Aktienmarkt abziehen. Sie wollen die besten Unternehmensbilanzen aller Zeiten, die höchsten Margen, die am schnellsten wachsenden Dividenden. Dazu Bewertungen, die weder überhitzt noch zu günstig sind, sondern mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen im Bereich von 15 bis 20 die tatsächlichen Wachstumschancen der Wirtschaft reflektieren. Dieses Umfeld haben wir heute und genau deshalb werden die Märkte wieder steigen.
Wie stark wird der US-Markt zulegen?
Ich wäre nicht überrascht, wenn der S & P 500 im Dezember auf Jahressicht zweistellig zugelegt hätte. Für wahrscheinlicher halte ich aber ein Plus von fünf Prozent.
Trotz der hohen Volatilität an den Märkten?
Das ist ein Erbe aus der Krise 2008, aber auch ein Grund, warum die Börse weiter steigen wird. Der Kurssturz war 2008 noch stärker als 1981, weshalb es weiterhin Aufholpotenzial gibt. Doch wegen der anstehenden Zinswende sind Investoren zu Volatilitäts- und Risikophobikern mit fast schon manischen Ausmaßen geworden. Beim ersten Anzeichen von Problemen suchen sie das Weite. Dabei wird die Zinswende die Wirtschaft nicht stark beeinflussen.
Sie greifen bei gefallenen Aktien zu. Was wurde in der Korrektur gekauft?
Wir haben unsere Positionen bei Airlines ausgebaut. Sie haben mit 15 Prozent am stärksten verloren. Wir haben aber auch unser Engagement im Immobiliensektor vergrößert, da der Häusermarkt in den USA weiter boomt.
Warum Airlines?
Weil damit seit 100 Jahren niemand Geld gemacht hat. Weil ein Flugzeugsitz wie der andere ist, wurde Fliegen zum Massenprodukt. Bei vielen Anbietern führt das zu Preiskämpfen, zudem ist das Geschäft kapitalintensiv. Und auf den größten Kostenblock, den Kerosinpreis, haben die Airlines keinen Einfluss. Aber in den USA konsolidierte die Branche. Die Umsatzrenditen der Airlines sind die höchsten aller Zeiten, und die Branche glaubt, dass das noch lange so bleibt. Doch Investoren sind immer noch davon geprägt, dass 100 Jahre kein Geld mit Airlines zu verdienen war. Das bedeutet großes Aufholpotenzial.
prl