In der deutschen Hauptstadt findet mit wesentlicher Unterstützung weiter Teile des gegenwärtigen rot-rot-grünen Senats ein Volksentscheid zur Enteignung größerer Immobilienunternehmen statt. Derselbe Senat ist erst kürzlich mit seinem sogenannten "Mietendeckel"-Gesetz vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Es sah vor, in bestehende Mietverträge rückwirkend einzugreifen und Miethöhen selbst in bester Lage auf das Niveau sozialen Wohnungsbaus zu senken. Neu in Berlin ist auch der "Eigentumsdeckel": Erst jüngst hat der Senat verfügt, dass in ganz Berlin faktisch keine Miethäuser mehr mit dem Ziel von Eigentumsbildung aufgeteilt werden dürfen. Frisch aus dem Parlament kommt auch ein Beschluss, wonach den Eigentümern von Wassergrundstücken die Enteignung droht - denn die "Ufer gehören allen".

All dies reicht weit über das übliche Maß der Absonderlichkeiten Berliner Landespolitik hinaus. Es ist letztlich ein Anschlag auf die Eigentumsordnung der Bundesrepublik - und damit auf unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung insgesamt. Berlin gilt als rot-rot-grüner Laborversuch. Der Versuchsaufbau folgt nahezu buchstabengetreu dem Manifest "Das Rote Berlin" der (aus guten Gründen vom Verfassungsschutz beobachteten) Interventionistischen Linken. Die eminente Bedeutung dieses Vorgangs ist schon deshalb vielen nicht bewusst, weil nur zu oft der unauflösliche Zusammenhang zwischen Eigentum und Freiheit nicht erfasst wird.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet sich immer wieder die Feststellung, dass das Eigentum "ein elementares Grundrecht" sei, das "in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht". Diese Sichtweise geht geistesgeschichtlich zurück auf den Philosophen John Locke (1632 - 1704). Nach Locke gibt das Eigentum dem Menschen erst die nötige Unabhängigkeit und Freiheit, sein Leben zu gestalten. Ohne Eigentum bliebe, so Locke, Freiheit nur eine leere Floskel, weil dem Individuum die materiellen Voraussetzungen der eigenverantwortlichen Daseinsgestaltung fehlten. Darin liegt auch der Grund, warum die nach der Wende von den Berlinerinnen und Berlinern beschlossene Landesverfassung nach den Erfahrungen in der sozialistischen DDR dem Schutz und der Förderung des Eigentums einen noch viel höheren Stellenwert beimisst als das deutsche Grundgesetz.

Hinzu kommt, dass Eigentum eines unserer zentralen Wirtschaftsgrundrechte ist. Doch das wird in der Berliner Diskussion hartnäckig ignoriert. Auch in der Sozialen Marktwirtschaft mit ihrer starken sozialen Bindung gilt: Kein Wettbewerb ohne Eigentum. Nur eine möglichst große Zahl miteinander konkurrierender Anbieter schafft die Voraussetzung für Wettbewerb. Wettbewerb ist der beste Schutz eines jeden Verbrauchers. Der Wettbewerb eröffnet Wahlmöglichkeiten. Und erst Wahlmöglichkeiten geben dem Individuum die Möglichkeit, sein Leben in wirtschaftlicher Hinsicht selbst, also frei, zu gestalten.

All das lassen die grünen und linken Apologeten der Enteignung außer Acht. Der Verdacht liegt nahe, dass bei einigen die Kenntnis fehlt, es den anderen aber gar nicht um das Schicksal der Mieter geht. Ihr Ziel ist eine grundsätzlich andere, nämlich unfreie Gesellschaftsordnung. Denn indem massenhaft enteignet werden soll, entsteht zwangsläufig ein neues Monopol: in diesem Fall ein staatliches Monopol an Immobilienbesitz.

Es wäre dann der Staat, der Zugang, Wohnqualität und Preise diktiert, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hätte, sich diesem Diktat zu entziehen. Das käme der Entmündigung weiter Teile unserer Gesellschaft gleich. Es wäre, um den Titel des Hauptwerks des Nobelpreisträgers und bedeutenden Ökonomen Friedrich August von Hayek zu zitieren, in letzter Konsequenz ein "Weg in die Knechtschaft".

 


Stefan Evers

Der Jurist und Unternehmensberater ist seit 2007 Vorsitzender der CDU Alt-Wilmersdorf und seit 2011 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er sitzt zudem im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen. Die Wahl zum 19. Berliner Abgeordnetenhaus findet am 26. September 2021 für eine Legislaturperiode von fünf Jahren statt. CDU-Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters in Berlin ist Kai Wegner.


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