Die sogenannte Renditekurve ist ein wichtiger Indikator für Börsianer. Sie hat Auswirkungen auf die Kurse in anderen Anlageklassen, auf die Gewinne von Banken oder gilt als Vorzeichen für die Entwicklung der Konjunktur. Nachfolgend die wichtigsten Fragen und Antworten rund um dieses Thema:

WAS VERSTEHT MAN UNTER EINER RENDITEKURVE?


Staaten nehmen Kredite auf, indem sie Staatsanleihen ausgeben. Diese haben Laufzeiten von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahrzehnten. Trägt man die Rendite - also die reale Verzinsung - der einzelnen Papiere beginnend mit der niedrigsten Laufzeit in ein Diagramm ein, erhält man die sogenannte Renditekurve. Bond-Renditen bewegen sich immer entgegengesetzt zu den Kursen.

WIE SIEHT EINE RENDITEKURVE ÜBLICHERWEISE AUS?


Üblicherweise steigt die Renditekurve an, da Investoren für längere Laufzeiten wegen der größeren Risiken eine höhere Verzinsung fordern.

Um zu beurteilen, wie steil oder flach die Renditekurve ist, nehmen Börsianer meist die den Renditeabstand - im Fachjargon Spread genannt - der zwei- und der zehnjährigen Anleihen als Referenz. Die Rendite der zehnjährigen Titel ist für Investoren der Dreh- und Angelpunkt. Weltweit richtungsweisend sind US-Treasuries und deutsche Bundesanleihen. Die Papiere dieser beiden Staaten gelten als sichere Anlage, weil Investoren die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls als sehr gering betrachten. Außerdem können Anleger ihre Schuldtitel bei Bedarf schnell zu Geld machen, weil so viele davon im Umlauf sind. Derzeit steht der Bund bei Bond-Investoren mit umgerechnet insgesamt etwa 2,3 Billionen Dollar in der Kreide. Im Falle der USA ist der Schuldenberg mit gut 21 Billionen Dollar fast zehnmal so hoch.

WAS SIGNALISIERT EINE STEILE RENDITEKURVE?


Börsianer sprechen von einer steilen Renditekurve, wenn der Spread zwischen kürzer und länger laufenden Papieren groß ist. Sie signalisiert üblicherweise eine dynamisch wachsende Wirtschaft, eine anziehende Inflation und steigende Leitzinsen.

WAS SIGNALISIERT EINE FLACHE RENDITEKURVE?


Bei einer flachen Renditekurve ist der Spread zwischen Bonds unterschiedlicher Laufzeiten gering. Sie kann darauf hindeuten, dass Anleger kurzfristige Zinserhöhungen erwarten und eine längerfristige Abkühlung der Konjunktur befürchten. Denn steigende Leitzinsen dämpfen üblicherweise das Wirtschaftswachstum, weil sich Kredite für Investitionen in Fabriken, den Hauskauf oder ein neues Auto verteuern.

WANN SPRICHT MAN VON EINER INVERSEN RENDITEKURVE?


Die Renditekurve ist dann invers, wenn kürzer laufende Papiere mehr abwerfen als länger laufende, der Spread also negativ ist. Unter Experten gilt eine solche Entwicklung als Vorbote einer Rezession. Der Federal Reserve Bank von San Francisco zufolge ging bis auf eine Ausnahme jedem wirtschaftlichen Abschwung in den USA seit 1955 eine inverse Renditekurve voraus, meist mit einem Vorlauf von sechs bis 24 Monaten.

"Das letzte Mal, dass dies der Fall war, war übrigens nicht Anfang 2020, sondern im Januar 2006", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "2020 kam es zwar auch zu einer Rezession, aber das schnelle Eingreifen von Notenbanken und Politik hat dem Rentenmarkt quasi keine Zeit gelassen, eine Rezession einzupreisen."

Allerdings entwickelt sich die Renditekurve nicht immer linear. So kann es beispielsweise sein, dass der am meisten beachtete Spread zwischen zwei- und zehnjährigen Bonds negativ ist. Gleichzeitig kann der Renditeabstand zwischen sieben- und zehnjährigen Titeln positiv sein.

WELCHE FOLGEN HAT DIE RENDITEKURVE AUF DIE REALWIRTSCHAFT?


Bei einer steilen Renditekurve können Banken günstig Geld aufnehmen, dass sie zu höheren Zinsen weiterverleihen. Bei einer flachen Renditekurve ist der Zinsabstand und damit die Gewinnmarge geringer.

Steigen die Renditen kürzer laufender Bonds, heben Banken üblicherweise die Zinsen für Verbraucherkredite oder Kreditkartenschulden an. Auch für kleinere Unternehmen verteuert sich meist das Schuldenmachen. Hypothekenzinsen ziehen ebenfalls an.