Claus Born hat 18 Jahre lang für Franklin Templeton in Argentinien gearbeitet. Aufgrund der Präsenz vor Ort haben die Argumente der Vermögensverwalter bei lateinamerikanischen Unternehmen Gewicht, sagt er. Im Interview erklärt der Experte, warum er nachhaltiges Rindfleisch für den Schlüssel bei der Eindämmung der Regenwald-Abholzung im Amazonasgebiet hält.
€uro am Sonntag: Herr Born, brasilianischen Fleischverarbeitungskonzernen wie JBS, Marfrig und Minerva wird vorgeworfen, Mitschuld an der Abholzung des Regenwalds zu tragen. Trifft das zu?
Claus Born: Diese Konzerne betreiben zwar selbst keine Viehzucht, aber sie verarbeiten das Fleisch von lokalen Zulieferern. Und wenn man sich anschaut, wofür in den letzten Jahren im Amazonasgebiet gerodet worden ist, dann war das zu mehr als 60 Prozent für illegale Weideflächen. Um das in einen größeren Zusammenhang zu stellen: Experten sind der Meinung, wenn 20 bis 25 Prozent des Amazonas-Regenwaldes gerodet, also zerstört sind, dann gerät man in einen Negativkreislauf, bei dem das ganze System zusammenbricht und sich in eine Savanne verwandelt. Wir sind mittlerweile schon etwa bei diesen 20 Prozent. Es ist also ein riesiges Problem.
Einzelne europäische Supermarktketten boykottieren deshalb brasilianisches Rindfleisch. Ist das der richtige Weg, um die Abholzung zu stoppen?
Brasilien ist der größte Rind- fleischexporteur weltweit. Über 50 Prozent des Fleisches geht nach China. Die Europäische Union importiert im einstelligen Prozentbereich, insofern ist das relativ irrelevant. Die Exporteure haben schon ein eigenes Interesse daran, dass es hier Verbesserungen gibt, aber es ist unrealistisch, dass sie allein im ganzen Land Veränderungen herbeiführen können.
Warum?
Wir sprechen hier von einem Gebiet, dass 14-mal so groß ist wie Deutschland. Das kann kein einzelner Fleischkonzern kontrollieren, selbst ein Staat wird damit Mühe haben. Es gibt in diesem Gebiet 2,5 Millionen Viehzüchterfarmen und knapp 450 fleischverarbeitende Betriebe. Bis ein Rind schlachtreif ist, vergehen drei Jahre, die das Tier selten auf einer einzigen Farm verbringt. Es ist also vergleichsweise einfach, das Rind mehrfach hin und her zu schieben, sodass es am Ende auf legalem Weideland stand.
Gibt es einen Lösungsansatz?
In Uruguay und verschiedenen anderen Ländern muss jedes Rind ab Geburt einen Identifizierungschip bekommen, anhand dessen eindeutig nachverfolgbar wird, durch welche Hände und Stationen es gegangen ist. Die einzelnen Fleischkonzerne haben inzwischen Projekte mit ihren Zulieferern, wo das passiert. Aber um das wirklich flächendeckend einzuführen, braucht es die Unterstützung der Regierung.
Und passiert da etwas?
Unter der derzeitigen Regierung ist es eher zu einer Verschlimmerung gekommen. Vor den Wahlen im Herbst ist da nichts zu erwarten. Das rührt sicher auch von der alten Sichtweise her, dass der Amazonas eine Region ist, die noch "entwickelt" werden muss. Brasilien ist ja ein armes Land, und man darf nicht vergessen, dass diese Rinderfarmen meist kleine Betriebe sind, deren Besitzer um ihr Überleben kämpfen.
Bei einigen Vermögensverwaltern stehen die fleischverarbeitenden Konzerne wegen dieser Problematik auf der ESG-Ausschlussliste.
Wir arbeiten generell nicht mit Ausschlusslisten, weil wir das nicht für den richtigen Ansatz halten. So einfach funktioniert die Welt ja nicht, dass man alles in Gut und Böse einteilen kann. Man verliert durch Ausschlüsse Einflussmöglichkeiten und vergibt sich Chancen, wenn es positive Entwicklungen gibt.
Was für Konsequenzen ziehen Sie dann für Investments in diese Unternehmen?
Grundsätzlich ist das natürlich ein Risiko für die Unternehmen, wenn ihnen eventuell in Zukunft mehr Exporte aufgrund von Boykotts oder Verboten wegfallen. Aber es gibt womöglich auch Chancen, wenn sich etwas verbessert: Wenn man die Bewertungen von brasilianischen Fleischkonzernen mit amerikanischen Wettbewerbern vergleicht, dann gibt es dort einen riesigen Bewertungsabschlag, weil natürlich alle am Markt diese Risiken kennen. Und wenn man jetzt sieht, dass diese Risiken ernsthaft angegangen werden, kann das natürlich bei Erfolg in der Zukunft auch zu einer Neubewertung der brasilianischen Unternehmen führen.
Templeton Emerg. Markets: Firmen aus Brasilien haben momentan einen Portfolioanteil von acht Prozent. Viel mehr Gewicht liegt auf Titeln aus China, Südkorea und Taiwan - insgesamt 65 Prozent. Bewährter Fonds, der es im aktuellen Umfeld jedoch nicht leicht hat.