Polizisten erschossen den Tunesier, nachdem er auf sie gefeuert hatte. Nach dem Anschlag am Donnerstagabend rangen Dutzende Menschen um ihr Leben. Unter den Toten waren mindestens zehn Kinder und Jugendliche. Drei der Getöteten, eine Lehrerin und zwei Jugendliche, stammten aus Berlin, teilte das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf mit.
Staatsanwalt Molins sagte, die Ausführung des Angriffs entspreche genau den Aufrufen von Islamisten-Gruppen. Allerdings habe sich keine solche Organisation zu der Tat bekannt. In sozialen Medien bejubelten Anhänger der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) jedoch die hohe Opferzahl. Es werde untersucht, ob der 31-jährige Täter Komplizen gehabt habe, sagte Molins. Die Ex-Frau des Täters sei in Polizei-Gewahrsam.
Der Attentäter war kein gesuchter Extremist. Der Vater dreier Kinder hatte in Frankreich eine Bewährungsstrafe erhalten, nachdem er mit einer Holzlatte auf einen Autofahrer losgegangen war. Auch den tunesischen Behörden lagen keine Hinweise auf eine islamistische Einstellung vor. Der Mann, der tunesischen Angaben zufolge Eheprobleme hatte, lebte in Nizza und hat seinen Heimatort Msaken in der Nähe der tunesischen Hafenstadt Sousse vor vier Jahren zum letzten Mal besucht.
ZAHLREICHE VERLETZTE RINGEN UM IHR LEBEN
"Etwa 50 Menschen sind in kritischer Verfassung und schweben zwischen Leben und Tod", sagte der französische Präsident Francois Hollande nach dem Besuch eines Krankenhauses in Nizza. Er verlängerte den seit den Pariser Anschlägen im November geltenden Ausnahmezustand um drei Monate. Ministerpräsident Manuel Valls kündigte nach dem dritten schweren Anschlag in gut eineinhalb Jahren Härte an. Frankreich werde sich dem Terror nicht ergeben. "Wir sind in einer neuen Ära. Frankreich wird mit dem Terrorismus leben müssen", sagte Valls. Hollande erklärte, Frankreich werde den Militäreinsatz in Syrien und im Irak nun noch entschiedener vorantreiben. Im Landesinnern gelten die Sicherheitskräfte, die seit Beginn des Ausnahmezustands zu Tausenden zur Terrorabwehr auf den Straßen unterwegs sind, allerdings schon seit Monaten als überlastet. Hollande berief nun Reservisten von Polizei und Armee ein.
"IM ZICK-ZACK DIE STRASSE ENTLANG GEFAHREN"
Der Attentäter bog Augenzeugen zufolge mit seinem gemieteten 25-Tonner am Donnerstag kurz nach 22.30 Uhr in die Promenade des Anglais ein, eine mehrspurige Straße, die von einer breiten Flaniermeile gesäumt oberhalb des Strandes verläuft. Unter den Menschen, die bis dahin einem Orchester gelauscht oder in Richtung des berühmten Hotels Negresco geschlendert waren, brach Panik aus. Der Fahrer versuchte offenbar, so viele Passanten wie möglich zu erfassen. "Der Lastwagen ist im Zick-Zack die Straße entlang gefahren", berichtete eine Frau dem Sender France Info. "Wir sind mit vielen anderen Leuten in ein Hotel gerannt und haben uns in den Toiletten versteckt."
Damien Allemand suchte zunächst in einem Cafe Deckung, als der Lastwagen vorbeiraste. Später schilderte der Journalist der Zeitung "Nice Matin" auf der Homepage seines Blattes, was er beim Verlassen des Cafes draußen vorfand. "Alle paar Meter Leichen, Gliedmaßen ... Blut. Stöhnen." Nach Angaben eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung fuhr der Attentäter die Strandpromenade bis zu zwei Kilometer weit entlang, ehe die Polizei die Todesfahrt nach mehreren Minuten stoppte.
Der weiße Lastwagen mit seiner von Einschusslöchern durchsiebten Frontscheibe stand noch am Freitagmorgen auf der Straße. Auf dem Asphalt war getrocknetes Blut zu erkennen. Kaputte Kinderwagen, einzelne Schuhe und andere Habseligkeiten lagen verstreut herum. Hinter Sichtschutzwänden waren abgedeckte Leichen zu erkennen.
Als Reaktion auf den Anschlag wurden auch in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen, Bahnhöfen und den Grenzen zu Frankreich verschärft. Der mutmaßliche Täter habe nach bisherigen Erkenntnissen aber keinen Bezug zu Deutschland, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Zur Sicherheitslage in der Bundesrepublik sagte der CDU-Politiker im ZDF, Deutschland sei wie andere Staaten auch im Fokus des Terrorismus'. "Die Lage ist ernst, und sie bleibt ernst. ... Die Gefahr ist hoch."