"Der Inflations-Gipfel sollte nun erreicht sein", sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Dennoch könnte das Niveau 2022 höher bleiben als es der Europäischen Zentralbank (EZB) lieb ist. "Es wird Zeit, dass die EZB den Fuß vom Gas nimmt", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Im Jahresschnitt 2021 kletterte die Teuerungsrate auf 3,1 Prozent und damit so stark wie seit 1993 nicht mehr. 2020 waren es nur 0,5 Prozent. Die Inflationsrate war zuletzt sechs Monate in Folge gestiegen, vor allem wegen höherer Energiepreise. Von Reuters befragte Ökonomen hatten für Dezember mit einem Rückgang auf 5,1 Prozent gerechnet. Während sich der Energiepreisanstieg auf - immer noch hohe - 18,3 Prozent abschwächte, waren etwa Nahrungsmittel ein Grund für die höhere Inflation. "Vor allem Gemüse, aber auch Molkerei- und Backwaren haben sich merklich verteuert", erklärte DZ Bank-Chefvolkswirt Michael Holstein.
Für Januar erwarten die meisten Experten einen Rückgang - auch wegen eines Statistikeffekts. Denn die Preise werden dann nicht mehr mit jenen aus dem zweiten Halbjahr 2020 verglichen, als die Mehrwertsteuer wegen der Corona-Krise zeitweise von 19 auf 16 Prozent gesenkt worden war. "Die Inflationsrate dürfte eine Vier vor dem Komma vorerst behalten und erst im zweiten Halbjahr stärker sinken", sagte Krüger und warnte zugleich: "Das größte Risiko für den Inflationsausblick bleibt ein stärker zunehmender struktureller Preisdruck." Dies wäre der Fall, wenn sich Preise - abgesehen von den oft schwankenden Posten Energie und Lebensmitteln - auf breiter Front verteuern würden.
NICHT NUR ENERGIE TEURER
Die jüngsten Zahlen seien umso alarmierender, als weniger das teure Benzin wie zuletzt Preistreiber sei, sondern vielmehr Anderes wie etwa Dienstleistungen, sagte DekaBank-Chefökonom Ulrich Kater. "Es besteht die Gefahr, dass die Inflation auch in Europa ein hartnäckiges Problem wird." Sollten sich diese Anzeichen im Laufe des Jahres verdichten, müsse die EZB ihre Geldpolitik straffen und auch Zinserhöhungen vorziehen. Auch für Commerzbanker Krämer weisen die Inflationsrisiken klar nach oben - "nicht nur in Deutschland, sondern auch im Euroraum". Dort kletterten die Verbraucherpreise befeuert von massiv gestiegenen Kosten für Öl und Gas im November binnen Jahresfrist um 4,9 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion und liegt weit über dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent.
Die teure Energie bekommen die Konsumenten schon länger zu spüren. "Insbesondere die Gaspreise dürften den Inflationsdruck weiter hoch halten, denn die enorm hohen Großhandelspreise werden nach und nach an die Verbraucher weitergegeben", sagte DZ Banker Holstein. Verbraucherschützer aus Nordrhein-Westfalen haben nach der Kündigung von Stromlieferverträgen durch Anbieter wie Stromio die hohen Preis-Aufschläge von Grundversorgern für Neukunden scharf kritisiert. Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt angesichts der steigenden Energiepreise sozial schwächeren Menschen finanzielle Hilfen in Aussicht.
Das Ifo-Institut rechnet erst 2023 mit einer Normalisierung bei der Inflation. 2022 dürften die Preise nach Einschätzung demnach sogar um 3,3 Prozent steigen. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung sieht das weniger skeptisch. "Da die Lohnabschlüsse bislang sehr moderat ausgefallen sind, gibt es von der Lohnseite derzeit keine Gefahr einer Preis-Lohnspirale", sagte IMK-Fachmann Sebastian Dullien.
rtr