Der Name ist derzeit in aller Munde: Thomas Cook. Der Konkurs des britischen Konzerns mit bekannten deutschen Töchtern wie Neckermann, Bucher oder Öger Tours hat für Aufsehen gesorgt - und für jede Menge Ärger bei den vielen Betroffenen. Dabei hatte sein Gründer Thomas Cook seinerzeit ganz hehre Motive.
Cook kam 1808 in einem Marktflecken in der englischen Grafschaft Derbyshire zur Welt. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, sein Vater starb, als Thomas drei Jahre alt war. Mit zehn Jahren brach er die Schule ab, um seine Mutter, die einen kleinen Laden betrieb, finanziell zu unterstützen. Er arbeitete für einen Penny am Tag für einen Gemüsehändler und erlernte dann bei einem alkoholabhängigen Onkel das Tischlerhandwerk.
In der Stadt Leicester verdiente er später sein Geld bei einem Buchverleger, der christliche Traktate veröffentlichte, arbeitete nebenbei als baptistischer Missionar und Wanderprediger. Er rechnete aus, dass er 1829 insgesamt über 4300 Kilometer unterwegs war, um seinen Glauben zu predigen, davon über 3300 zu Fuß.
Cook, der schon früh mit den Auswirkungen des Alkoholismus konfrontiert worden war, kam zu der Überzeugung, dass diese Sucht die eigentliche Ursache für die vielen sozialen Probleme im viktorianischen England sei. Der Abstinenzler begann, Demos gegen den weitverbreiteten Alkoholmissbrauch zu organisieren.
Als 1841 in der 17 Kilometer entfernten Kleinstadt Loughborough ein großes Treffen der Abstinenzler geplant war, kam dem Prediger die Idee, seine Anhänger mit dem Zug zu der Veranstaltung zu transportieren. Die Fahrt in den offenen Dritte-Klasse-Waggons ohne Sitzgelegenheit kostete lediglich einen Schilling pro Person. Im Preis inbegriffen waren ein Schinkenbrot, eine Tasse Tee sowie musikalische Unterhaltung im Zug. Rund 500 Personen standen in dem Sonderzug.
Die Reise gilt heute als eine Vorläuferin der später von Cook organisierten Pauschalreisen und markiert den eigentlichen Beginn des Massentourismus. Ein Geschäft machte der Laienprediger mit dem Sonderzug allerdings nicht, und das war auch nicht seine Absicht. "Menschen mit Menschen und Menschen mit Gott zu verbinden", war sein Ziel.
Das änderte sich, als er vier Jahre später eine Zugreise nach Liverpool anbot. Auch sie war mit 1200 Teilnehmern sofort ausgebucht und musste zwei Wochen später wiederholt werden. Cook war jetzt an dem Ticketerlös beteiligt. Er verteilte auch ein Handbuch mit Reisebeschreibungen und Tipps - eine frühe Version des Reiseführers. Die Hotels waren im Voraus gebucht, jeder Reisende erhielt einen Gutschein. Auch das war völlig neu.
Nächste Destination war Schottland. Mit Zug und Dampfschiff kamen 350 Touristen aus Leicester in Glasgow an, gefeiert und mit Salutschüssen und Orchestermusik begrüßt. Touristen - das war für die Bevölkerung neu und aufregend. 1851 transportierte Cook bereits 150 000 Gäste zur Weltausstellung in London.
Auch die königliche Familie fuhr mit
Seine Reisen waren für viele Menschen aus der Arbeiterklasse die erste Möglichkeit, etwas von der Welt kennenzulernen. Er glaubte, dass Reisen helfen könnten, die Leute zu bilden und ihren Horizont zu erweitern. Leute, die wie er selbst oft keine richtige Schulbildung hatten. Vorurteile und Intoleranz könnten so abgebaut werden, und Reisen seien eine gesunde Alternative zu Kneipen, Spielhöllen und Bordellen. Er wollte seine Landsleute damit weg vom Alkohol locken.
Später organisierte Cook auch Reisen für die gehobene Mittelschicht und dank seines Rufs als exzellenter Organisator sogar für Mitglieder der königlichen Familie oder für das Militär. Im 19. Jahrhundert aber waren die Glamour-Destinationen den Reichen vorbehalten. Etwa an der französischen Riviera, in den Schweizer Alpen oder bei Ägyptens Pyramiden wollten sich diese vornehmen Gäste auf keinen Fall mit Cooks ungehobelten Billigtouristen mischen. Auch Cook selbst wurde von den Eliten nie respektiert.
"Ich bin derart vom Geist des Tourismus durchdrungen, dass ich jetzt sogar über Reisen in ferne Länder nachdenke, nach Kontinentaleuropa, die Vereinigten Staaten und die biblischen Länder des Mittleren Ostens", schrieb Cook in seinem 1850 gegründeten, eigenen Reisemagazin.
Bald sollte er seine Träume umsetzen. 1861 organisierte er die erste Reise nach Paris. Erstmals waren im Preis Unterkunft und Verpflegung inbegriffen. Es sollte der Beginn der Pauschalreisen werden. Seine nächsten Ziele: eine Europa-Rundreise, die ersten Nil-Kreuzfahrten, Pilgerreisen ins Heilige Land und zur Eröffnung des Suezkanals, "Mitternachtssonnen-Touren" zu Norwegens Nordkap, und Cook kaufte die Bahn, die zum Vesuv hochfuhr. Er gründete Reisebüros in Kairo, Brüssel, Köln, Paris und Wien. Sein Betrieb bestand damals gerade mal aus vier Personen: aus ihm, seinem Sohn und zwei Assistenten. Im September 1872 folgte sein bisher spektakulärstes Projekt: die erste Reise um die Welt. Reiseleiter war Thomas Cook persönlich. Die 40 000 Kilometer lange Route führte die Touristen im Dampfschiff über den Atlantik, in einer Kutsche und per Bahn quer durch Amerika, per Schiff nach Japan und schließlich über den Landweg durch China und Indien zurück nach England. 222 Tage war die Gruppe unterwegs.
1878 zog sich Thomas Cook aus dem Unternehmen zurück und machte seinen Sohn John Mason Cook zu seinem Nachfolger. Mit ihm kam das Unternehmen im modernen Kapitalismus an. Er war es, der die neue Zentrale in der Londoner Fleet Street eröffnete. Und der in den 1880er-Jahren eine luxuriöse Flotte von Dampfschiffen für den Nil-Tourismus einsetzte.
1892 starb Thomas Cook mit 83 Jahren. Sein Sohn überlebte ihn nur um sechs Jahre. Das Unternehmen blieb bis 1928 im Familienbesitz und wurde um die Jahrhundertwende zum weltweiten Marktführer in der Tourismusindustrie. Seine Geschichte endete im September 2019.