Für Betroffene der Thomas--Cook-Pleite gibt es neue Hoffnung, mehr als nur einen Bruchteil ihres Geldes zurückzubekommen. Zum einen ist eine Sammelklage gegen den Insolvenzversicherer Zurich in der Diskussion. Zum anderen könnte auch die Bundesrepublik für rechtliche Versäumnisse haften. Der Reiseveranstalter Thomas Cook, zu dem unter anderem die Marken Neckermann und Öger Tours gehören, ging vor rund einem Monat pleite. Der Konzern ist für einen solchen Fall bei der Zurich mit 110 Millionen Euro versichert, doch wird diese Summe nicht ausreichen. Es stehen Anzahlungen von Kunden im geschätzten Wert von bis zu 500 Millionen Euro im Feuer, allein das Zurückholen gestrandeter Kunden kostete rund 80 Millionen Euro.
Beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) heißt es, man prüfe "in alle Richtungen mögliche Anwendungsfälle für eine Musterfeststellungsklage". Das Rechtsinstrument wurde 2018 eingeführt und soll es einfacher machen, Interessen einer Vielzahl von Geschädigten vor Gericht durchzusetzen. Bei einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage muss jeder Betroffene dann individuell die Höhe seines Schadenersatzes vor Gericht einklagen. Der VZBV argumentiert, der Versicherer müsse gewusst haben, dass die Deckungssumme bei Weitem nicht ausreiche, um die Insolvenz abzusichern. Die deutsche Pauschalreisericht-linie erlaubt es Versicherern, ihr Risiko auf 110 Millionen Euro zu beschränken - allerdings sei das nur eine Option und keine Verpflichtung, stellt der Verbraucherverband klar.
Die Zurich sieht die Schuld hingegen unter anderem bei der Bundesregierung. Ein Sprecher sagte der "Süddeutschen Zeitung", das Gesetz, das die Regierung erlassen hat, schütze die Reisenden nicht ausreichend. Kunden sollten eine Staatshaftungsklage anstrengen, meinte der Sprecher. Ins selbe Horn stößt der Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros. Deren Vorsitzende Marija Linnhoff kündigte an, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof zu gehen, um Berlin in die Staatshaftung zu klagen. Die Regierung sei bei der Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht "fahrlässig" vorgegangen, weil sie eine Deckelung der Haftungssumme auf 110 Millionen Euro zugelassen habe.
Ein Sprecher des zuständigen Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz verteidigt die Entscheidung: "Zum Zeitpunkt der Umsetzung der Pauschalreiserichtlinie ins deutsche Recht (...) lagen keine Anhaltspunkte für eine signifikante Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadensfalls vor."
Pikantes Detail: Verantwortlich für die Umsetzung war -unter anderem der Verbraucherschutz-Staatssekretär Gerd Billen - vor seinem Ministeriumsamt fungierte er als VZBV-Vorsitzender.