Timo Emden: Das 30.000-Dollar-Niveau ist ein realistisches Niveau, mit dem sich Anleger in Anbetracht der charttechnischen Konstellation zwangsläufig auseinandersetzen müssen. Die Kuh ist nicht vom Eis. Sollte es hart auf hart kommen, wären auch 20.000 Dollar drin. Dieses Szenario halte ich aktuell aber für weniger wahrscheinlich. Da die Marktlage als stark überverkauft bezeichnet werden kann, bleiben kurzfristige Erholungsbewegungen wahrscheinlich.
Sind Altcoins, also die zweite und dritte Reihe der Kryptowährungen, tatsächlich die noch größeren Verlierer?
Altcoins leiden in der Regel sonderbar stark. Auch der jüngste Kursverfall hat dies wieder aufgezeigt. Während der Bitcoin (Stand: Dienstagabend) rund 10 Prozent auf Wochensicht verliert, büßt die federführende Altcoin-Währung Ether fast doppelt so viel ein. Dieser Umstand ist insofern zu erklären, da zahlreiche Assets aus den hinteren Reihen in der Regel als Beimischung für das Portfolio fungieren.
Gibt es Kryptowährungen, die von der aktuellen Situation profitieren könnten bzw. weniger stark verlieren als der Bitcoin?
Kausalitäten gibt es hier nicht wirklich. Gefragt sind in Zeiten eines Kurseinbruchs in der Regel allerdings sogenannte Stablecoins, welche 1:1 an den US-Dollar gekoppelt sind wie etwa Tether oder USD Coin. Diese können in der Regel ein bis drei Plätze im Ranking der wertvollsten Assets nach vorne rücken, wenn Anleger Reißaus nehmen.
Sollen Anleger Bitcoin und Krypto jetzt verkaufen, um Verluste zu begrenzen?
Kann ich aus Compliance-Sicht leider nicht beantworten.
Wenn die US-Notenbank Fed die Zinsen anhebt, welche Kursfantasie gibt es dann noch für den Bitcoin?
Die große Frage wird es weiterhin sein, ob es der Fed tatsächlich gelingt, die grassierende Teuerung nachhaltig zu bekämpfen. Sollte es der Fed mit den bereits angekündigten Maßnahmen nicht gelingen, der Inflation Herr zu werden, könnte dies zwangsläufig Bitcoin und Co wieder in die Karten spielen. Zudem sei auf die Entwicklung im vergangenen Jahr verwiesen. Krypto Assets sind durch den Börsengang der Handelsplattform Coinbase inzwischen an der Wall Street angekommen - zudem gibt es den ersten Bitcoin-ETF auf Basis von Futurekontrakten in den USA. Große Adressen wie Hedgefonds oder Vermögensverwalter öffnen sich nach wie vor für den Bitcoin - diese Entwicklung wird nur schwer zu stoppen sein. Von dem Gedanken an neue Höchststände sollten sich Anleger vorerst allerdings verabschieden.
Sind Kryptowährungen doch nicht so unabhängig von den Notenbanken und deren Politik wie immer behauptet wird?
Tatsächlich nein. Mittlerweile ist die Korrelation mit den Aktienmärkten, insbesondere der Nasdaq hervorzuheben. Dass sich Bitcoin und Co in nächster Zeit von den traditionellen Finanzmärkten entkoppeln, bleibt zudem unwahrscheinlich. Dafür haben Krypto Assets in den vergangenen 20 Monaten sonderbar stark durch die fulminanten Notenbanker-Schützenhilfen der Fed als auch EZB profitiert.
Und nochmal zur Erklärung: Warum sind Zinsanhebungen der Notenbanken grundsätzlich schlecht für den Bitcoin?
Steigende Realzinsen sind insbesondere für riskante Anlagen wie Krypto Assets "Gift", da sie die Attraktivität sicherer und zinstragender Anlagen wie Staatsanleihen tendenziell steigern. Zudem erwarten Anleger die Bekämpfung der Inflation. Da Digitalanlagen vielerorts als vermeintliches Hedge- und Diversifikationsinstrument in Zeiten einer hohen Teuerungsrate fungieren, werden diese entsprechend weniger nachgefragt.