"Es ist nicht abzusehen, was dies für die Stabilität im Euroraum zur Folge hätte." Vor der ersten Wahlrunde bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag liegt der pro-europäische Amtsinhaber Emmanuel Macron in Umfragen nur wenige Prozentpunkte vor der rechten Rivalin Le Pen. In einer für den 24. April zu erwartenden Stichwahl wird ein enges Rennen der beiden erwartet.

Sollte dies so eintreten, "bekommen wir definitiv Unruhe an den Märkten", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski am Freitag. "Denn anders als vor fünf Jahren hätte Le Pen den Umfragen nach größere Chancen, gegen Macron zu gewinnen." Auch wenn Le Pen sich im Wahlkampf gemäßigter präsentiert habe und Themen wie einen "Frexit" - also einen EU-Abschied nach britischem Vorbild - nicht mehr gespielt habe, sollten die Märkte unruhig werden. "Heißt: höhere Renditen auf französische Staatsanleihen, leicht schwächerer Euro und leichte Verluste an den französischen Aktienmärkten", sagte Brzeski.

"UNSICHERHEIT BEI WACHSTUM, INFLATION, FINANZEN"


Ganz ähnlich sieht das Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Die Finanzmärkte rechnen zwar mit einem Sieg Macrons, registrieren aber mit Sorge, dass Le Pen in den Umfragen aufholt", betonte er. "Denn Le Pen würde die Position von EU und Nato zu einem Zeitpunkt schwächen, wo es auf Geschlossenheit gegenüber Wladimir Putin mehr denn je ankommt", sagte der Ökonom mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine. Le Pen fordere zwar nicht mehr wie bei der vorigen Wahl, dass Frankreich aus EU und Nato austreten solle. "Aber sie steht beiden Institutionen kritisch gegenüber. Außerdem lehnt sie Sanktionen gegen Russland ab." Ein starker zweiter Platz bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen würde ihre Chancen für den zweiten, entscheidenden Wahlgang erhöhen und die Finanzmärkte merklich belasten.

Dem Vermögensverwalter Aegon zufolge würde ein Sieg von Le Pen "die Unsicherheit für das französische Wachstum, die Inflation und die Finanzen erhöhen". Es dürfte zu einem Rückgang an den europäischen Börsen kommen, insbesondere des französischen Aktienmarktes. Auch ein höherer Risikoaufschlag auf französische Staatsanleihen und eine Schwächung des Euro seien zu erwarten.

Der Nachbar ist nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. 2021 lag Frankreich nach den USA und China auf Platz drei in der Rangfolge der wichtigsten deutschen Exportkunden.

rtr