Angesichts der Größenordnung des Pakets von 80 bis 100 Milliarden Euro solle in aller Ruhe verhandelt werden. Unmittelbar vor Gesprächsbeginn unterstrich die SPD-Spitze ihre harte Haltung bei Hilfen für die Autobranche. "Eine Kaufprämie für Autos der Verbrennertechnik wird es mit uns nicht geben", sagte Parteichefin Saskia Esken.
Kurz nach 14.00 Uhr begannen die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ihre Beratungen im Kanzleramt. Ziel ist es, nach dem Wirtschaftseinbruch in der Corona-Krise Schub für einen neuen Aufschwung zu geben. Schon vor den Beratungen hatte es geheißen, dass die Beratungen sehr kompliziert und langwierig würden. Hintergrund ist auch eine festgefahrene Auseinandersetzung etwa über Hilfen für die Autoindustrie und eine finanzielle Entlastung der Kommunen, die Fronten auch innerhalb der Parteien aufgerissen hat. CDU und CSU berieten bereits am Dienstagvormittag untereinander vier Stunden, bevor sich die Unionsvertreter mit der SPD trafen.
Besonders umstritten sind Autokaufprämien, um den eingebrochenen Absatz wieder anzukurbeln. Die SPD-Vorsitzenden Esken und Norbert Walter-Borjans machten nochmals deutlich, dass sie nur eine Kaufprämie für Elektroautos wollen. In der CDU und CSU wird dagegen etwa vom Wirtschaftsministerium eine gestaffelte Prämie favorisiert, von der auch Autos mit Verbrennungsmotoren profitieren sollen. Die Unions-Bundestagsfraktion wiederum sieht Kaufprämien generell kritisch. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der am Koalitionsausschuss teilnimmt, verwies darauf, dass der Druck von Unternehmen, Gewerkschaften und Ministerpräsidenten aber sehr groß sei.
Sowohl in der CDU als auch den SPD-geführten Umwelt- und Finanzministerien wird nun ein breiteres Mobilitätskonzept favorisiert, das einen beschleunigten Ausbau der Ladestellen für elektronische Fahrzeuge fördern soll. Die Union will daneben Zukunftsinvestitionen der Konzerne unterstützen.
Das Umweltministerium schlägt nach Angaben aus Regierungskreisen eine höhere Förderung der Batteriezellenfertigung vor. Zudem sollen bei der jetzigen E-Auto-Prämie der Förderanteil der Industrie vom Staat mit übernommen werden und E-Autos auch über etwa zwei Jahre "reserviert" werden können, um Lieferengpässe zu verhindern. Derzeit teilen sich die Kaufprämie von bis zu 6000 Euro Industrie und Bund. Das Paket hätte wohl ein Volumen von fünf bis zehn Milliarden Euro. Die Klimaaktivisten von Fridays For Future sprachen sich zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband sowie der Gewerkschaft Verdi gegen eine Autokaufprämie aus.
"Es wird sich lange hinziehen und vermutlich auch heute nicht zuende gehen", sagte Walter-Borjans. Er sprach von rund 60 Punkten für die Verhandlungen, die zum Teil einigungsfähig seien. So seien die Koalitionspartner gemeinsam der Auffassung, dass die Wirtschaft gestützt sowie kleine und mittlere Unternehmen "am Leben erhalten" werden müssten. Bei anderen Dingen täten sich CDU und CSU schwer: "Das ist immer dann der Fall, wenn es um kleine und mittlere Einkommen geht."
DEBATTE ÜBER DEN RICHTIGEN MIX AN MASSNAHMEN
In der CDU hieß es, das Konjunkturpaket müsse einen "nachhaltigen Effekt auf Wachstum und Innovation" haben. Dazu sei ein Bündel von Reformen nötig, zu denen eine Absenkung der Umlage für Ökostrom, mehr Investitionen in den Digitalbereich sowie eine Entlastung der Kommunen gehörten. Die CDU fordere auch einen steuerlichen Verlustvortrag für Firmen für 2020 und 2021, der auf drei Jahre erweitert werden soll. Zudem wolle man mit einem 25-Milliarden-Euro-Programm Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe schaffen.
Weiterer Streitpunkt sind wegen der einbrechenden Steuereinnahmen die Kommunalfinanzen. Finanzminister Olaf Scholz hatte ein zweistufiges Hilfspaket vorgeschlagen, das eine Kompensation für die ausfallenden Gewerbesteuern und eine Übernahme der Altschulden hochverschuldeter Kommunen vorsieht. Die CDU lehnt dies ab und will die Steuerausfälle nur teilweise mit Bundesmitteln kompensieren, um öffentliche Investitionen aufrecht zu halten. Für 2020 und 2021 könnte der Bund, der bereits 50 Prozent der Kosten der Wohnungen für Arbeitssuchende trägt, weitere 20 Prozent übernehmen. In der Unionsfraktion war zuvor sogar eine Kostenübernahme von 75 Prozent vorgeschlagen worden. Zudem könnte der Bund mehr Geld für den Ausbau der Ganztagsschulen und Kitas bereitstellen, hieß es in der CDU.
Beim Koalitionsausschuss werden auch Hilfen für Familien eine Rolle spielen: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet schlug einen Familienbonus von 600 Euro pro Kind vor. Die SPD hatte zuvor 300 Euro pro Kind ins Gespräch gebracht. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schlug zur Entlastung für Alleinerziehende vor, den bisher geltenden Freibetrag von 1908 auf 4000 Euro anzuheben.
rtr