Optimismus wird an dieser Stelle ja schon seit einiger Zeit gepflegt, und die Kursentwicklung der zurückliegenden Wochen rechtfertigt diese Haltung durchaus. Gerade deswegen ist es aber nicht verkehrt, auch mal nach dem Haar in der Suppe zu suchen und nach möglichen Begebenheiten zu forschen, die diese Rally dann doch stoppen könnten. Schließlich ist nichts gefährlicher an der Börse, als nur die Argumente wiederzukäuen, welche die eigene Haltung stützen, und gegenteilige Meinungen zu ignorieren.
Blicken wir Richtung USA. Dort hat der Kursaufschwung schließlich seinen Anfang genommen. Zum einen steht eine Sitzung der US-Notenbank Fed an, bei der die Zinswende nun endlich auf den Weg gebracht werden sollte. Dennoch ist so ein Termin immer ein Unsicherheitsfaktor.
An der Börse wiederum ist interessant, dass so ziemlich alle Aktien steigen, egal welcher Branche oder welchem Index sie angehören. Dow Jones, S&P-500, Nasdaq oder auch der Nebenwerte-Index Russell 2000 - sie alle haben neue Höchststände erreicht. Dass dies derart synchron abläuft, das kommt selten vor. Wird wahllos gekauft? Ähnliches gilt ja auch für die Aktienmärkte in Europa, wo jüngst die Europäische Zentralbank mit der Verlängerung ihres Anleihekaufprogramms für eine gewisse Euphorie sorgte. Jedenfalls gab es ein solches synchrones Kaufphänomen zuletzt 1999. Was auch unangenehme Erinnerungen weckt - was ab März 2000 bis 2003 folgte, dürfte kaum ein Aktionär vergessen haben.
Aber vielleicht hinkt dieser Vergleich, schließlich liefen die Aktienmärkte - im Gegensatz zu den späten 90er-Jahren - in den zurückliegenden Monaten ja nur noch seitwärts, wenn auch unter großen Schwankungen. Vielleicht sollte man sich stattdessen über die Aktienbewertungen Sorgen machen. Noch einmal das Beispiel USA: Hier wird das Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) gerne als Kriterium herangezogen. Das gibt - vereinfacht ausgedrückt - ein über zehn Jahre geglättetes KGV wieder. Für den marktbreiten S&P500 liegt diese Kennzahl aktuell bei etwa 27. Das ist hoch, wenn man es mit dem historischen Durchschnitt von 17 vergleicht. Aber es ist längst nicht so hoch wie während der Dotcom-Blase, als ein Wert von 44 erreicht wurde.
Weil zudem aktuell die Gewinne der Unternehmen wieder auf dem aufsteigenden Ast sind, ist eine relativ höhere Bewertung durchaus gerechtfertigt. Mit Blick auf die prognostizierten Unternehmensgewinne der kommenden Quartale relativiert sich demnach die so gern kolportierte und vermeintlich zu hohe 27er-Bewertung also.
Und dann ist da der vielfach erwähnte und herbeigesehnte Trump-Effekt, der die aktuelle Bewertung ebenfalls stützt. Setzt der neue US-Präsident beispielsweise tatsächlich die angekündigte massive Steuersenkung für US-Unternehmen durch, dürfte dies allein eine Ergebnisverbesserung von zehn Prozent bewirken.
Man sollte also wohl doch weiter an Aktien festhalten. Die Jahresendrally ist in vollem Gang. Vielleicht hilft auch das Wissen, dass die aktuell höhere Bewertung gleichfalls strukturelle Gegebenheiten widerspiegelt - etwa den simplen Fakt, dass die Nachfrage nach US-Werten auch durch eine immer größere Zahl von Anlegern weltweit steigt. Und dass gleichzeitig die Zahl der amerikanischen Aktien stetig zurückgeht - von 7500 Ende der 90er-Jahre auf nur noch 3700.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com