Er wirkt, als käme er aus einer anderen Zeit: straffer Maßanzug, Einstecktuch, goldene Manschettenknöpfe, Krawattennadel, streng gekämmt. So tritt er in der Öffentlichkeit und in seinen Werbespots auf. "Sehr viel anders sahen deutsche Unternehmer auch zu Ludwig Erhards Zeiten nicht aus, nur dass Grupp braungebrannt und gertenschlank ist", fand die "Neue Zürcher Zeitung".
Der Trigema-Chef fährt mit seinem Unternehmen Umsätze im dreistelligen Millionenbereich ein und - darauf ist er stolz - gehört zu den letzten Herstellern, die ausschließlich in Deutschland produzieren. Das hat ihn hierzulande berühmt gemacht. Der Patriarch ist trotz seiner 79 Jahre noch sehr fit. Kein Wunder: Er beginnt den Tag vor sieben Uhr mit Liegestützen und schwimmt dann im Außenpool seiner Villa 720 Meter. Sein Rezept für eine gute Gesundheit: Früh ins Bett und nur kalt essen. Morgens Brot, mittags Müsli, abends Brot. "Ich esse nie warm, außer ich bin eingeladen."
Die Villa, in einem 25 000 Quadratmeter großen parkähnlichen Gelände gleich neben dem Werksgebäude gelegen, hat ein für die Schwäbische Alb eher untypisches Reetdach. Grupp entwickelte während eines Sylt-Urlaubs ein Faible für reetgedeckte Häuser. Eine weiße Hacienda-Mauer, die an Ibiza erinnert, umgibt das Grundstück. Sein Hubschrauber parkt mitten im Hof in einer gläsernen Garage.
Wolfgang Grupp kam 1942 als Sohn eines konservativ-katholisch geprägten Unternehmerpaars zur Welt. Er wuchs in Burladingen auf, einer aus zehn Dörfern bestehenden, idyllisch auf der Schwäbischen Alb gelegenen Kleinstadt. Er besuchte erst die örtliche Volksschule, wechselte dann in das von Jesuiten geführte Kolleg St. Blasien im Südschwarzwald, zu dessen prominenten Schülern der Ex-Bundesfamilienminister Heiner Geißler und der Schriftsteller Ferdinand von Schirach gehören. Nach dem Abitur studierte er Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln und schloss das Studium als Diplom-Kaufmann ab. Das Leben im Internat in St. Blasien sei sehr streng gewesen. "Ich hatte Heimweh, das war meine schlimmste Zeit." Das Studium in Köln nahm er lockerer. Er lernte nur, wenn eine Prüfung anstand - und dann mit einem Privatlehrer. Mit 27 Jahren stieg er in das 1919 von seinem Großvater und dessen Bruder gegründete Textilunternehmen ein. Dass er einmal die Firma übernehmen würde, stellte er nie infrage. Der Name Trigema ist übrigens ein Akronym und steht für Trikotwarenfabrik Gebrüder Mayer. Burladingen war lange das Zentrum der schwäbischen Textilindustrie. Aber von den 26 Unternehmen in der Region überlebte nur Trigema.
Joseph Mayer, der Großvater, war für Wolfgang Grupp als Mensch und Unternehmer immer ein Vorbild. Er hatte die wirtschaftlich schwierigen 1920er-Jahre gut überstanden. Und nach dem Zweiten Weltkrieg fiel ihm die Umstellung der Produktion leichter als anderen Unternehmen in Burladingen, die sich auf die Herstellung von Uniformen spezialisiert hatten. Zwischen Wolfgang Grupp und seinem Vater Franz entwickelte sich jedoch ein veritabler Generationenkonflikt.
Als der Junior 1969 in das Unternehmen einstieg, machte Trigema umgerechnet knapp neun Millionen Euro Umsatz und hatte rund fünf Millionen Schulden bei der Bank. Drei Jahre lang dauerte der Machtkampf, bis der Vater sich schließlich zurückzog.
Provokanter Macher
Wolfgang Grupp kehrte zu den Wurzeln des Unternehmens zurück. Er machte die hohe Diversifizierung der Produktauswahl rückgängig, gab unrentable Firmenteile auf und konnte in den folgenden sechs Jahren den Umsatz auf 28,1 Millionen Euro steigern und damit die Schulden der Firma tilgen. Gleichzeitig stockte er die Zahl der Mitarbeiter auf. Dies war der Beginn des Aufschwungs von Trigema. Bis heute arbeitet die Firma mit einhundert Prozent Eigenkapital.
Anfangs hatte er noch versucht, einen Teil der Trikots in Hongkong fertigen zu lassen. Doch die Lieferzeiten waren zu lang. Und: "Wenn ich in Deutschland lebe und viele Vorteile mit Selbstverständlichkeit genieße, bin ich auch verpflichtet, meine Mitmenschen zu beschäftigen." Gern provozierte er seine Unternehmerkollegen mit Sprüchen wie: "Wer aus Lohngründen Arbeitsplätze ins Ausland verlagert, hat als Unternehmer versagt."
1988 heiratete der damals 46-jährige Grupp die fast 24 Jahre jüngere Baronesse Elisabeth von Holleuffer, eine Medizinstudentin aus der Steiermark, die er zwei Jahre zuvor bei der Auerhahnjagd in Österreich kennengelernt hatte. Wolfgang Grupp passt so gar nicht ins Bild eines Unternehmers von der Schwäbischen Alb. "Seine Welt ist klein, seine Weisheiten sind ‚made in Burladingen‘", urteilte der "Spiegel". "Sein Erfahrungsschatz reicht von Köln, wo er Betriebswirtschaft studiert hat, bis in die Steiermark, wo er seine Frau nach der Auerhahnjagd kennenlernte. Und trotzdem hat er das Wichtigste, was ein Unternehmer haben muss: Erfolg."
Seit 1969 gab es bei Trigema weder Kurzarbeit noch betriebsbedingte Kündigungen. Seinen Mitarbeitern hat er sogar eine Arbeitsplatzgarantie gegeben. Selbst den Kindern seiner Mitarbeiter garantiert der Patron nach der Schule einen Arbeitsplatz. Für ihn ist der faire Umgang mit dem Personal eine Frage der Ehre.
Grupp produziert seine T-Shirts, Bademäntel und Jogginganzüge ausschließlich in Burladingen, kauft wenn möglich nur von deutschen Herstellern und bezahlt klaglos deutsche Löhne.
Seit 1990 wirbt Trigema kurz vor der Tagesschau mit einem Schimpansen, ausstaffiert mit Hemd, Krawatte und Brille, der den Mund voller Nüsse hat und ständig kaut, was wie eine Sprechbewegung anmutet. Grupp kaufte damals die Rechte an einem Affen-Spot, der ursprünglich für Toyota vorgesehen war. "Ein Glücksfall", sagte der Chef später. Er musste nur noch eine passende Tonspur drüberlegen - und fertig war die Werbung.
Das Ehepaar Grupp hat zwei Kinder: Bonita und Wolfgang jr. Ihre Lebensläufe sind sehr ähnlich. Beide gingen auf das englischsprachige Aiglon College in der Schweiz. Anschließend absolvierten sie ein BWL-Masterstudium an der London School of Economics und stiegen 2013 ins Familienunternehmen ein. Der Patriarch will, dass nur eines der Kinder seine Nachfolge antritt. Von einer Doppelspitze hält er nichts. "Einer muss die Entscheidungen tragen. Die Geschwister sollen sich ein Leben lang lieben und nicht ein Leben lang streiten." Ob Bonita oder Wolfgang jr. schließlich die Firma übernimmt, das müsse dann seine Frau Elisabeth entscheiden, die Alleinerbin ist.
Wolfgang Grupp denkt im Moment noch nicht ans Aufhören. "Das Schönste im Leben ist nicht, Geld zu zählen, sondern das Gefühl zu haben, von anderen gebraucht zu werden. Und dieses Gefühl geben mir meine Familie und meine Mitarbeiter immer noch."