Der Kompromiss mit der Euro-Zone sieht vor, dass das Athener Parlament am Mittwoch als vertrauensbildende Maßnahme unter anderem eine Reform der Mehrwertsteuer und des Rentensystems beschließt. Außerdem muss der Gesamtkompromiss vom Parlament anerkannt werden. Erst danach können Gespräche über das neue Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro beginnen. Der Bundestag wird voraussichtlich am Freitag in einer Sondersitzung darüber abstimmen, ob er grünes Licht für Verhandlungen gibt.
Nach sechs Jahren Rezession war Tsipras' Koalition Ende Januar mit dem Versprechen angetreten, den Bürgern keine neuen Lasten mehr zuzumuten. Genau das muss Tsipras nun tun, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Aus Protest dagegen haben die Angestellten im Öffentlichen Dienst einen 24-stündigen Streik für Mittwoch angekündigt. Bereits bei der Abstimmung über sein Verhandlungsmandat vor dem Euro-Gipfel hatte Tsipras nur mit Hilfe der Opposition eine Mehrheit erhalten. In seiner Syriza-Partei bleibt der linksradikale Flügel auf Konfrontation zu den Gläubigern. Syriza hat 149 der 300 Sitze im Parlament, ANEL 13.
Sollte Tsipras keine eigene Mehrheit zusammenbringen, dürfte das Parlament die Reformen trotzdem beschließen - mit Stimmen aus der Opposition. Die links-liberale Partei To Potami kündigte Unterstützung an. Sie verfügt über 17 Mandate. Er rechne mit rund 250 Ja-Stimmen, sagte To-Potami-Chef Stavros Theodorakis. ANEL-Chef Panos Kamenos sagte dagegen, man werde nur Reformen zustimmen, auf die man sich mit den Vorsitzenden aller großen Parteien vor dem Euro-Gipfel geeinigt habe. Wirtschaftsminister George Stathakis sagte Bloomberg TV, möglicherweise werde die Regierung nach der Abstimmung umgebildet. In griechischen Zeitungen wurde auch über eine Übergangsregierung unter einem Technokraten bis zu möglichen Neuwahlen im Herbst spekuliert.
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IWF WARNT VOR ERDRÜCKENDER SCHULDENLAST
Auch nach dem Reformkompromiss bleiben etliche Fragen zur Zukunft des Landes ungeklärt. So warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) in einem Reuters vorliegenden Geheim-Papier, wegen der nicht umgesetzten Reformen und Schließung der Banken seien die griechischen Schulden mittlerweile "in höchstem Maße unhaltbar" geworden. Vor zwei Wochen war der IWF noch von einem Schuldenstand von 142 Prozent des BIP im Jahr 2022 ausgegangen, nun erwartet er 170 Prozent. Auch die schiere Größe des Pakets treibt den Schuldenstand. Vor zwei Wochen war der IWF noch davon ausgegangen, dass das Land 25 Milliarden Euro weniger braucht.
Griechenland benötige Schuldenerleichterungen jenseits aller bisherigen Überlegungen, schrieben die IWF-Experten. Dafür gebe es mehrere Optionen. Einen Schuldenerlass auf ihre Kosten haben die anderen Euro-Länder bereits abgelehnt. Der IWF schrieb, in dem Fall müssten die Rückzahlung aller bisherigen und künftigen Hilfsdarlehen mindestens über 30 Jahre gestreckt werden. Die Alternative wären jährliche Überweisungen an den Staatsetat.
Wie klamm das Land ist, zeigte auch, dass es erneut eine Rückzahlung an den IWF von 456 Millionen Euro nicht leisten konnte. Ende Juli war eine Überweisung von 1,6 Milliarden Euro geplatzt. Am Montag ist eine Zahlung an die Europäische Zentralbank (EZB) von 3,5 Milliarden Euro fällig. Die Euro-Zone schätzt den kurzfristigen Finanzbedarf bis Mitte August auf zwölf Milliarden Euro. Weil die Gespräche über das Hilfsprogramm länger dauern dürften, wird nach einer Brückenfinanzierung gesucht.
In den Verhandlungen hatte Schäuble als Alternative einen fünfjährigen Euro-Ausstieg des Landes auf eigenen Wunsch und eine Schuldenrestrukturierung ins Spiel gebracht. "Es gibt einige in der Bundesregierung, die durchaus der Meinung sind, dass das die bessere Lösung für die Menschen in Griechenland wäre. Aber natürlich unter der Voraussetzung (...), dass Griechenland das selbst entscheidet", sagte Schäuble nach einem Treffen mit seinen EU-Kollegen. Die Verhandlungen über ein drittes Programm würden "außergewöhnlich schwierig" werden.
Wegen des Vorschlags war Schäuble heftig kritisiert worden. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte erklärt, er habe Kenntnis von der Idee gehabt, ihr aber nicht zugestimmt. "Ich habe keinen Vorschlag gemacht, der nicht innerhalb der Bundesregierung in der Form und in der Sache abgesprochen war", sagte Schäuble.
Reuters