Experten zufolge ist damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Goldman Sachs geht davon aus, dass die Teuerungsrate im April sogar auf 60 Prozent steigen und erst im Mai/Juni mit 65 Prozent ihren Gipfel erreichen wird. "Wir sehen auch Aufwärtsrisiken bei den Rohstoffpreisen und der geldpolitischen Haltung (der Zentralbank), die nicht auf die Bekämpfung der Inflation ausgerichtet ist", sagte Goldman-Experte Murat Unur.
Ein Grund für die steigenden Inflationserwartungen ist auch der Einmarsch Russlands in die Ukraine, der bereits die Gas-, Öl- und Getreidepreise in die Höhe schnellen ließ. So haben sich die Erzeugerpreise im Februar mehr als verdoppelt im Vergleich zum Vorjahresmonat - auch wegen der teureren Rohstoffe infolge des Krieges gegen die Ukraine. "Überschwappende Effekte der Russland-Ukraine-Krise, einschließlich höherer globaler Rohstoffpreise und potenziell neuer Unterbrechungen der Lieferkette, sprechen für ein Aufwärtsrisiko", sagte Ökonom Jason Tuvey von Capital Economics.
WIRTSCHAFT UNTER DRUCK
Die Inflation ist in den vergangenen Monaten in die Höhe geschnellt - auch weil die türkische Zentralbank unter dem Druck von Präsident Recep Tayyip Erdogan ihren Leitzins deutlich gesenkt hat. Er liegt jetzt bei 14 Prozent, im September 2021 waren es noch 19 Prozent. Das wiederum hat erheblich dazu beigetragen, dass die Lira im vergangenen Jahr zum Dollar um 44 Prozent abgewertet hat. Dadurch werden Importe teurer, die meist in ausländischen Währungen abgerechnet werden.
Ökonomen halten Zinserhöhungen für ein geeignetes Gegenmittel, da dadurch beispielsweise die Lira wieder attraktiver wird. Erdogan will jedoch mit billigen Krediten die Produktion und die Exporte anschieben, was wiederum für mehr Beschäftigung sorgen soll.
Die türkische Wirtschaft ist 2021 mit elf Prozent so stark gewachsen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Die Konjunktur steht aber wegen der hohen Inflation und der negativen Folgen wegen des Ukraine-Krieges etwa für den Tourismus vor einem schwierigen Jahr. Ökonomen trauen der Türkei in diesem Jahr nur rund 3,5 Prozent Wachstum zu. Der Konflikt in der Ukraine könnte etwa die wichtige Reisebranche spürbar dämpfen. Denn etwa ein Viertel der Touristen in der Türkei sind Russen oder Ukrainer.
rtr