Erst im Oktober hatten die Währungshüter den Schlüsselsatz um zwei Prozentpunkte nach unten gesetzt, nachdem sie schon im September die Zinsen gesenkt hatte. Die hohe Inflationsrate, die zuletzt auf fast 20 Prozent geklettert ist, sehen die Notenbanker als vorübergehend an. Sie streben eigentlich eine Teuerungsrate von fünf Prozent an.
"Das ist ein buchstäblich verrückter Schritt, der die Lira in Gefahr bringt", kommentierte Analyst Tim Ash vom Vermögensverwalter BlueBay Asset Management. Die Landeswährung Lira rutschte nach Bekanntgabe der Entscheidung um drei Prozent zum Dollar auf 10,98 ab. "So entsteht kein Vertrauen", kritisierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel, die Entscheidung der Zentralbank.
ZINSFEIND ERDOGAN
Die hatte sich abgezeichnet, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan tags zuvor angekündigt hatte, "bis zum Ende" gegen die seiner Ansicht nach zu hohen Zinsen zu kämpfen. Erdogan ist ein erklärter Zinsgegner und hat die letzten drei Notenbank-Gouverneure aufgrund von Differenzen hinsichtlich der Geldpolitik vor die Tür gesetzt.
Bei stark steigenden Preisen halten die meisten Experten eigentlich höhere Zinsen für ein geeignetes Gegenmittel, da dies Kredite teurer macht. Das wiederum kann die Nachfrage dämpfen und so die Inflation bremsen. Höhere Zinsen machen zudem eine Währung attraktiver für Investoren. Steigt der Kurs, können die meist in Dollar oder Euro gehandelten Importe günstiger werden - was ebenfalls die Inflation bremsen würde.
Auch wegen der Zinssenkungen hat die türkische Lira in diesem Jahr um fast ein Drittel zum Dollar abgewertet. Das wiederum dürfte vielen Unternehmen erschweren, ihre in Devisen aufgenommenen Kredite zurückzuzahlen. "Die Währungsschwäche lässt die Fremdwährungsverbindlichkeiten umgerechnet in türkische Lira in die Höhe klettern", sagte Ökonom Gitzel dazu. "Damit könnte zukünftig die Bedienung der Schuld schwierig werden."
rtr