Der nächste Akt des Twitter-Dramas spielt vor einem Gericht im US-Bundesstaat Delaware: Twitter-Chef Parag Agrawal will Tesla-Gründer Elon Musk per Gerichtsurteil zur Übernahme des Kurznachrichtendiensts zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen zwingen. Am Montag hatte Multimilliardär Musk die von ihm avisierte 44-Milliarden-Dollar-Übernahme von Twitter überraschend abgesagt. Wie bei solchen Deals üblich, wurde für ein Scheitern der Übernahme indes eine Breakup Fee vereinbart, bei Twitter in Höhe von einer Milliarde Dollar, zu begleichen von jener Vertragspartei, die das Scheitern zu verantworten hat.
Für Musk ist die Sache klar: Twitter habe ihm die aus seiner Sicht hohe Anzahl der Geisterkonten, die auf Bots zurückgehen, verheimlicht, wirft der Unternehmer dem Vorstand des Kurznachrichtendiensts vor. Twitter-Chef Agrawal bestreitet das und keilt zurück: Mit seinem Zickzackkurs bei der Übernahme habe Musk Wertvernichtung zulasten der Twitter-Aktionäre betrieben. Seit Unterzeichnung der Übernahmevereinbarung habe Musk Twitter wiederholt diskreditiert, um Druck auf den Kurs zu erzeugen. Er habe damit das Geschäftsrisiko erhöht, heißt es in der eingereichten Klage. Im Frankfurter Handel sackte Twitters Aktienkurs nach Musks Absage zunächst um 11,3 Prozent auf 32,12 Euro ab.
Übernahme bleibt eine Option
Eine Mehrheit der Investoren geht davon aus, dass bei der Übernahme ein Kompromiss ausgehandelt wird. Zum aktuellen Euro-Dollar-Kurs liegt Musks Offerte bei 54,20 Euro pro Aktie. Bei einem Scheitern des Deals rechnen Beobachter mit Twitter-Kursen zwischen 24 und 27 Euro - und wegen der großen Lücke mit Verhandlungsspielraum.
"Es könnte eine Einigung über die Übernahme geben", sagt etwa Jean-François Comte, Managing Partner beim französischen Hedgefonds Lutetia Capital. Comte, dessen Firma Twitter-Aktien hält, erwartet im Fall einer neuen Offerte einen Abschlag "zwischen drei und 20 Prozent".
Einer anderen Sichtweise zufolge könnte indes eine "Specific Performance"-Klausel in der Vereinbarung greifen, die Musk zwingen kann, die Akquisition zum ausgehandelten Preis durchzuführen. In der Vergangenheit hätten Gerichte in Delaware das oft so angeordnet, wenn Käufer einen Rückzieher machen wollten, so US-Juristin Ann Lipton laut "FAZ".
Darauf setzt auch der bekannte Shortseller Hindenburg Research. Am Mittwoch gab die Firma via Twitter bekannt, sie habe eine "signifikante Long-Position" bei Twitter aufgebaut. Hindenburg setzt auf stark steigende Kurse und wettet damit gegen Musk. Das beflügelte die Papiere, der Kurs stieg bis Redaktionsschluss auf rund 37 Euro.
Tesla-Aktionäre wären erleichtert, wenn das Twitter-Drama beendet wäre. Musk bliebe mehr Zeit für seine wichtigste Firma, Tesla, die derzeit hart daran arbeitet, die zuletzt schwachen Produktionszahlen zu steigern. Die Hoffnung auf stärkeren Fokus Musks half der Aktie zuletzt. In den vergangenen fünf Handelstagen legte sie trotz des Prozessrisikos um über fünf Prozent zu.
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