Am Aktienmarkt macht sich Ausverkaufsstimmung breit - und nicht nur da. Interessanterweise fiel zu Wochenbeginn nahezu alles, auch der vermeintliche Inflationsschutz Gold und der Hauptinflationstreiber Öl. Von Kryptowährungen ganz zu schweigen. Bitcoin und Co kamen richtig unter die Räder.
Angesichts der Kriegs in der Ukraine und der Materialengpässe ist eine Rezession nicht mehr auszuschließen. Da der Preisdruck hoch bleibt, wird das bisherige Schreckgespenst Stagflation fast zum Idealszenario. Tesla-Chef Elon Musk streicht wegen der düsteren Konjunkturaussichten prophylaktisch schon mal jede zehnte Stelle. Der Elektroautohersteller, bisher als mustergülti- ges Wachstumsunternehmen bewertet, bereitet sich demnach auf eine Schrumpfkur vor.
In Deutschland sorgt man sich unterdessen um Unternehmen, die zu viel verdienen. Nicht nur bei Ölkonzernen ist die Debatte um eine sogenannte Übergewinnsteuer entbrannt. Auch den Impfstoffhersteller Biontech würden einige Politiker gerne über Gebühr zur Kasse bitten. Warum das nicht geht, hat Finanzminister Christian Lindner mehrfach erklärt. Einerseits kennt das deutsche Steuerrecht keine "Übergewinne", die - wenn überhaupt - auch nur willkürlich definiert werden könnten. Andererseits hat kein einziger Ölkonzern seinen Sitz in Deutschland. Frankreich hat Totalenergies, Italien hat Eni, Österreich OMV. Aber Deutschland ist spätestens seit dem Verkauf des Aral-Tankstellennetzes an die britische BP in Sachen Benzin und Diesel komplett von ausländischen Anbietern abhängig. Vielleicht politisch nicht ganz so verheerend wie die an Russland ausgelagerte Gasversorgung. Aber es ist kaum anzunehmen, dass andere Länder ihre Unternehmensbesteuerung ändern werden, nur weil einige die Chuzpe besitzen, die 35 Cent Steuer- senkung je Liter Kraftstoff in Deutschland nicht an die Verbraucher weiterzugeben. So ärgerlich das auch sein mag.
Bliebe die Rüstungsindustrie als Melkkuh - und Biontech. Aber Geld, das man einem intensiv forschenden Biotechunternehmen wegnimmt, fehlt eben in der Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe, beispielsweise gegen Krebs. Insofern sollte sich das politische Berlin vielleicht besser Gedanken über Unternehmen machen, die zu wenig verdienen, so es denn zur Rezession kommt. Denn der Abbau von Arbeitsplätzen in einem Szenario rasant steigender Preise birgt eine Menge sozialen Sprengstoff. Und "Untergewinnsteuererleichterungen" verbieten sich schon allein wegen des Wortungetüms.
Ihr Jens Castner