Obwohl seit vielen Jahren europäische Aktien deutlich günstiger bewertet sind als ihre amerikanischen Pendants, hinken sie in der Performance weit hinterher. Für Koen Bosquet, Fondsmanager bei Degroof Petercam, liegt dies vor allem daran, dass aus taktischer Sicht Euro-Aktien vor allem bei ausländischen Investoren unbeliebt sind. "Die Region wird häufig als ‚Value Trap‘ gesehen. Die Bewertungen sehen zunächst attraktiv aus, aber in der ­Regel enttäuscht das Gewinnwachstum aufgrund von Faktoren, wie Regulierung, politische Instabilität und zurückgehaltene Investitionen", erklärt er. Doch es gibt Hoffnung, dass die Anleger langsam zurückkehren. Carl Kawaja, Robert Lind und Jens Søndergaard von Capital Group halten eine Trendumkehr für möglich, wenn ein Friedensschluss im globalen Handelskonflikt gefunden wird, wenn die fiskalpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) Wirkung zeigen und wenn eine Resolution in Bezug auf den Brexit verabschiedet wird.

Ihr Ausblick dazu ist verhalten positiv: "Im Großen und Ganzen denke ich, dass die europäische Wirtschaft im Jahr 2020 allmählich Anzeichen einer Besserung zeigen sollte, da einige politische Risiken nachlassen und sich eine lockere Geld- und Fiskalpolitik durch das System zieht", sagt Lind. In diesem Fall erwartet Degroof-Petercam-Manager Bosquet eine globale Rally von unterbewerteten Titeln. "Angesichts ihrer Zusammensetzung würden Euro-Indizes insgesamt eine Outperformance erzielen. Ein gutes Beispiel ist der Automobilsektor. Auch hier würde ein Handelsabkommen - zusammen mit einer noch stärkeren Abschwächung des US-Dollars - europäische Aktien unterstützen", sagt er. Zusätzlichen Rückenwind kann die Wirtschaft laut Søndergaard durch Währungseffekte erhalten.

Seit der Zinssenkung durch die EZB im September habe sich der Euro gegenüber dem US-Dollar weiter abgeschwächt und damit einen bereits seit Jahren anhaltenden Trend fortgesetzt. "Der Dollar ist gegenüber dem Euro deutlich überbewertet", sagt Søndergaard. Für die Jahre 2020 und 2021 rechnet er wegen des sich voraussichtlich verlangsamenden Wirtschaftswachstums ebenfalls mit einem sich abschwächenden US-Dollar. "Die große Frage ist also, ob sich der Euro erholen kann, wenn sich die US-Wirtschaft abschwächt", so Søndergaard. Das bleibe abzuwarten.

Insbesondere die Fundamentaldaten sind laut Kawaja für Anleger relevant, da nicht davon auszugehen sei, dass ein Wirtschaftswachstum die Aktienkurse hebt. "In diesem Umfeld der Unsicherheit finden sich auch Opportunitäten", sagt Kawaja. In Europa mangele es nicht an Möglichkeiten - sowohl nach Wachstumsperspektiven als auch aus Bewertungssicht. "Wichtig ist, dass europäische Aktien in diesem Jahr zwar hinter den US-Aktienmärkten zurückgeblieben sind, insgesamt jedoch durchaus solide waren", sagt Kawaja. Das erinnere ihn daran, dass Wirtschaft und Börse nicht immer parallel laufen und sich auch in schwierigen wirtschaftlichen Phasen Gewinne erzielen lassen.