Auch auf russischer Seite hieß es, Ziel sei es, die Gebiete des Donbass zu erobern, die bisher noch nicht unter der Kontrolle der prorussischen Separatisten stehen. Diese kontrollieren Teile der rohstoffreichen Ostukraine seit 2014. Der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko wollte bei einem Besuch in Berlin am Donnerstag mehrere Politiker treffen.

Russland hatte in der fünften Woche des Krieges in der Ukraine angekündigt, seine militärischen Aktivitäten im Nordwesten des Landes und um die Hauptstadt Kiew zurückzufahren. Das britische Verteidigungsministerium teilte mit, dass man aber in den Vororten Kiews dennoch in den kommenden Tagen heftige Kämpfe erwarte. Selenskyj führte den Teilrückzug der russischen Truppen vor allem auf dortige militärische Rückschläge zurück.

Unterdessen gibt es neue Hoffnung auf Hilfe für die in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol von russischen Truppen eingeschlossenen Menschen. Das Internationale Rote Kreuz teilte mit, mehrere Teams seien auf dem Weg nach Mariupol, um Evakuierungen zu organisieren. Russland habe dem zugestimmt. Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sagte, ein Konvoi aus 45 Bussen sei auf dem Weg. In den vergangenen Tagen waren allerdings Evakuierungsversuche aus der durch russisches Bombardement stark zerstörten Stadt mehrfach gescheitert. Das britische Verteidigungsministerium sprach am Donnerstag von weiteren heftigen Kämpfen um die Stadt.

Die Ukraine und westliche Länder sprechen von einem russischen Angriffskrieg und einer Invasion, die am 24. Februar begonnen hat. Russland hatte sein Vorgehen in der Ukraine dagegen zunächst als Spezialoperation zur Zerstörung militärischer Stützpunkte bezeichnet. Nun wird als Hauptziel die Eroberung der Ostukraine genannt. In dem Krieg sollen nach Angaben der Ukraine und westlicher Sicherheitskreise bereits mehrere Zehntausend Menschen gestorben sein. Mehr als vier Millionen Menschen sind dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge inzwischen aus der Ukraine geflohen.

NEUE GESPRÄCHE ZWISCHEN UKRAINE UND RUSSLAND AM FREITAG


Der ukrainische Unterhändler David Arachamia gab an, dass die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine am Freitag weitergeführt werden wollen, diesmal aber online. Russland stellt sich einem Agenturbericht zufolge nicht gegen ein weiteres Treffen von Außenminister Sergej Lawrow mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba. Allerdings müsste dieses substanziell sein, berichtete die Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf das russische Außenministerium.

Bei den Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine in Istanbul hatte es am Dienstag Fortschritte gegeben. So hatte die Ukraine im Gegenzug zu Sicherheitsgarantien ihre Neutralität und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt angeboten. Zudem war von einer 15-jährigen Übergangsregel für die von Russland 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim die Rede. Auch Deutschland ist nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit prinzipiell bereit, nach einem Friedensschluss als einer der Garantenstaat für die Ukraine aufzutreten.

RUSSLAND VERZICHTET VORERST AUF GASZAHLUNG IN RUBEL


Die zunächst verlangte Zahlung von Gaslieferung in Rubel wird Russland nun doch nicht am Donnerstag umsetzen. Nachdem das russische Präsidialamt zunächst von einer schrittweisen Umstellung gesprochen hatte, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin Kanzler Olaf Scholz nach Angaben eines Regierungssprechers in Berlin am Mittwochabend zu, dass die Rechnungen weiter in Euro bezahlt könnten. Die G7-Staaten hatten es abgelehnt, Öl und Gas in Rubel zu bezahlen, weil die Verträge auf Euro und Dollar laufen. Wegen eines möglichen Ausfalls russischer Lieferungen hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallsplans Gas ausgesprochen.

Um gegen den hohen Ölpreis anzugehen, erwägen die USA die Freigabe von bis zu 180 Millionen Barrel Öl aus den nationalen Notreserven über mehrere Monate. Die Opec-Staaten haben sich bisher geweigert, ihre Produktion auszuweiten, um russisches Öl auf den Weltmärkten zu ersetzen. Am Freitag plant die Internationale Energie Agentur ein Krisentreffen.

Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte Europa auf, kein Gas und Öl mehr aus Russland zu beziehen. Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangte vor dem niederländischen Parlament sogar einen völligen Stopp des Handels mit Russland. "Stärkere Sanktionen sind erforderlich, damit Russland keine Chance hat, diesen Krieg in Europa weiterzuführen", sagte Selenskyj. Vor dem australischen Parlament sagte er in einer weiteren Videoansprache: "Wenn wir Russland jetzt nicht aufhalten, wenn wir Russland nicht zur Rechenschaft ziehen, dann werden einige andere Länder der Welt, die sich auf einen ähnlichen Krieg gegen ihre Nachbarn freuen, entscheiden, dass solche Dinge auch für sie möglich sind."

rtr