Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, er könne schlicht nicht sagen, was der nächste Schritt von Russlands Präsident Wladimir Putin oder den pro-russischen Separatisten im Osten seines Landes sein werde. Die Gefechte an der sogenannten Kontaktlinie zwischen den Rebellen und dem ukrainischen Militär hielten weiter an. Angesichts der Lage rief EU-Ratspräsident Charles Michel für Donnerstag einen EU-Sondergipfel ein. Dabei soll es darum gehen, wie Russland zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Putin hatte die Provinzen Donezk und Luhansk am Montag als unabhängig anerkannt und damit die jüngste Eskalation in dem Konflikt heraufbeschworen. Problematisch könnte werden, dass die von Rebellen gehaltenen Gebiete in Donezk und Luhansk nicht die gesamten Provinzen umfassen. Teile davon liegen jeweils jenseits der Kontaktlinie auf Gebiet, das von ukrainischen Regierungstruppen kontrolliert wird. Der Chef der Separatisten in Donezk, Denis Puschilin, sagte, er wolle mögliche Grenzstreitigkeiten friedlich lösen, behalte sich aber die Hilfe Russlands dabei vor. Gefragt, ob er die von den Separatisten gehaltenen Gebiete erweitern wolle, sagte Puschilin: "An diesem Punkt sind wir noch nicht." Die Truppen des Feindes seien an der Kontaktlinie und könnten jederzeit in die Offensive gehen.

Offiziell sind noch keine russischen Truppen nach Luhansk und Donezk eingerückt. Puschilin erklärte, eine Präsenz russischer Truppen sei möglich, wenn die Situation dies erfordere. Der Regierung in Kiew warf er eine zunehmende Agression vor. Das Gebiet sei Provokationen ausgesetzt, die zum Tod von Menschen führten. Die Mobilmachung in Donezk komme aber voran. Die Hilfe des "großen Russlands" helfe. "Wir werden siegen." Die britische Außenministerin Liz Truss sagte auf die Frage, ob es bereits einen Einmarsch gegeben habe: "Wir haben noch keine verifizierten Beweise dafür, dass dies stattgefunden hat." Angesichts der zunehmenden Spannungen beorderte Russland seine Diplomaten in Kiew zurück in die Heimat. Spanien forderte seine Staatsbürger auf, die Ukraine so schnell wie möglich zu verlassen.

Deutschland und Frankreich betonten die Bedeutung der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Donbass. Außenministerin Annalena Baerbock und ihr Kollege Jean-Yves Le Drian erklärten in Berlin, der Einsatz sei für ein objektives Lagebild unverzichtbar. Die Beobachter seien Ohr und Auge der internationalen Gemeinschaft im Krisengebiet, sagte Baerbock.

Putin sagte in einer per Video ausgestrahlten Erklärung zum "Tag des Verteidigers des Vaterlandes", er sei weiter offen für Diplomatie, aber die Sicherheitsinteressen seines Landes stünden an erster Stelle. Zudem werde er angesichts der internationalen Lage die Streitkräfte Russlands weiter stärken. "Russlands Interessen und die Sicherheit unseres Volkes sind nicht verhandelbar", sagte der Präsident.

"SCHLAGT MEHR DRAUF"


Die westliche Staatengemeinschaft zog unterdessen die Sanktionsschraube gegen Russland an. Dabei zielen die USA, die EU, Großbritannien, Australien, Kanada und Japan vor allem auf das russische Finanzsystem und die politischen Eliten des Landes ab. Die EU-Botschafter in Brüssel beschlossen nach Angaben von Teilnehmern ein erstes Sanktionspaket. Die britische Regierung ordnete an, dass Russland am Finanzplatz London keine Staatsanleihen mehr platzieren kann. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir den Zugang Russlands zu den britischen Märkten einschränken werden", sagte Außenministerin Truss. Russland nannte die Sanktionen kontraproduktiv.

Das ukrainische Parlament beschloss Sanktionen gegen 351 russische Bürger, darunter auch Abgeordnete der Duma, die für die Anerkennung von Luhansk und Donezk votiert hatten. Demnach dürfen die Betroffenen nicht mehr in die Ukraine einreisen und auch keine Vermögenswerte in dem Land mehr erwerben. Vom Westen forderte die Regierung in Kiew härtere Sanktionen gegen Russland. Die Maßnahmen müssten gegen die Wirtschaft und den inneren Kreis von Präsident Putin gerichtet sein, schrieb Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. "Schlagt mehr drauf. Schlagt hart. Schlagt jetzt."

Nach den USA, der EU und Großbritannien ergriff auch Japan erste konkrete Strafmaßnahmen gegen Russland. In Japan dürften keine russischen Anleihen mehr ausgegeben werden und die Vermögenswerte bestimmter russischer Personen würden eingefroren, erläuterte Ministerpräsident Fumio Kishida. Baerbock sagte, es sei wichtig, dass die Alliierten jetzt schnell und geschlossen handelten.

rtr