Die Demokraten können dabei zunehmend auf Unterstützung aus den Reihen der Republikaner hoffen, da immer mehr einstige Parteifreude von Trump abrücken. Ob es am Ende aber für eine Verurteilung reicht, ist unklar. Trump selbst lehnte jegliche Verantwortung für die Ausschreitungen am Parlamentssitz, bei denen fünf Menschen starben, ab. "Was ich gesagt habe, war völlig angemessen", entgegnete er auf den Vorwurf, er habe mit einer Rede kurz vor der Erstürmung des Kapitols seine Anhänger aufgestachelt.

Ein erster Versuch, Trump zu entmachten, scheiterte am Dienstag wie erwartet am Widerstand von Vizepräsident Mike Pence. Per Resolution forderten die Demokraten Pence auf, Trump unter Anwendung des 25. Verfassungszusatzes für amtsunfähig erklären zu lassen und abzusetzen. Der Vizepräsident lehnte dies jedoch ab. "Ich glaube nicht, dass ein solches Vorgehen im besten Interesse unserer Nation ist oder im Einklang mit der Verfassung steht", schrieb er in einem Brief an die Vorsitzende des demokratisch dominierten Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi.

Die Demokraten zeigten sich unbeeindruckt. Längst laufen die Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren. Offiziell soll dieses am Mittwoch gestartet werden. Im Repräsentantenhaus ist dazu eine Abstimmung über die Anklageschrift angesetzt. Der Vorwurf lautet "Anstiftung zum Aufruhr". Es wird damit gerechnet, dass die Kammer die Anklage annimmt, da die Demokraten im Abgeordnetenhaus in der Mehrheit sind. Aber auch immer mehr Republikaner signalisieren Unterstützung. "Noch nie gab es einen größeren Verrat eines Präsidenten der Vereinigten Staaten an seinem Amt und seinem Eid auf die Verfassung", erklärte die Abgeordnete Liz Cheney, die Nummer drei der Republikaner im Repräsentantenhaus und Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney. Trump habe "den Mob einbestellt, den Mob versammelt und die Flamme dieses Angriffs (auf das Kapitol) entzündet". Sie werde für eine Amtsenthebung stimmen.

AUCH IM SENAT GEHEN REPUBLIKANER ZU TRUMP AUF DISTANZ


Trump wäre der erste Präsident in der Geschichte der USA, der sich einem solchen Verfahren zwei Mal stellen musste. Für eine Verurteilung ist allerdings ist eine Zweidrittel der Stimmen im Senat nötig. Da aber nur 50 der 100 Senatoren zum Lager der Demokraten zählen, ist die Partei auf die Unterstützung von mindestens 17 Republikanern angewiesen.

Ein erster Anlauf scheiterte vor gut einem Jahr an der republikanischen Mehrheit in der Kongresskammer. Während damals die Chancen für eine Verurteilung jedoch von Anfang an schlecht standen, sieht es diesmal anders aus. Denn auch im Senat deutet sich an, dass immer mehr Republikaner Trump die Gefolgschaft verweigern könnten. Selbst Mitch McConnell, der bis zur Vereidigung der neuen Regierungsspitze kommende Woche noch der republikanische Mehrheitsführer im Senat ist, soll sich einem Bericht der "New York Times" zufolge zufrieden darüber geäußert haben, dass die Demokraten ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump anstreben. Die Republikaner stehen unter immensen Druck. Mehrere Konzerne haben angekündigt, bis auf weiteres keine Spendengelder mehr an Trump-Unterstützer zu zahlen.

BIDEN WILL GESPALTENES LAND EINEN


Doch auch für die Demokraten birgt ein Amtsenthebungsverfahren Risiken. Zum einen wollen sie vermeiden, dass der Senat sich gleich zu Beginn von Bidens Präsidentschaft in ein kompliziertes Verfahren verstrickt. Sie befürchtet, dass es zu Verzögerungen etwa bei der Regierungsbildung kommen könnte, da der Senat auch für die Bestätigung von Kabinettsnominierungen zuständig ist. Vermeiden ließe sich dies, indem das Repräsentantenhaus die Anklage erst zu einem späteren Zeitpunkt an den Senat weiterleitet. Trump wäre dann zwar nicht mehr im Amt. Bei einer Verurteilung wäre er aber von weiteren öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Das ist mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024 wichtig, denn es wird spekuliert, dass er dann erneut antreten könnte.

Zum anderen besteht aber auch die Gefahr, dass ein Amtsenthebungsverfahren die Gräben zwischen Anhängern der Demokraten und der Republikaner noch weiter aufreißen könnte. Biden hat eine Versöhnung der Amerikaner zum obersten Ziel seiner Präsidentschaft erklärt. Trump sagte, das Vorgehen der Demokraten sei eine Fortsetzung der Hexenjagd gegen ihn. Es herrsche eine große Wut im Land. Pence forderte die ranghöchste Demokratin im Kongress, Pelosi, auf, Maßnahmen zu vermeiden, die das Land weiter spalteten. "Arbeiten Sie mit uns zusammen, um die Temperatur zu senken."

Washington wappnet sich angesichts der angespannten Lage bereits gegen drohende Ausschreitungen. Allein bis zu 15.000 Nationalgardisten werden in der Bundeshauptstadt erwartet, um Bidens Vereidigung abzusichern. Das FBI hat in einem internen Memo vor Planungen für bewaffnete Proteste in Washington, aber auch in den Hauptstädten der einzelnen Bundesstaaten gewarnt.

rtr