In Frankreich selbst steht der 39-jährige Linksliberale vor enormen Herausforderungen. Bereits in der Wahlnacht kam es in Paris zu Protesten gegen ihn und Le Pen. Die linke Gewerkschaft CGT rief zu einer Kundgebung gegen Macron auf. Den Börsen bescherte der Sieg Macrons zeitweilig kräftigen Rückenwind.
Merkel sagte, sie sei sehr glücklich über den Sieg Macrons. Sie machte zugleich klar, dass sie an ihrer Europapolitik festhalten wolle. "Ich möchte helfen, dass in Frankreich auch vor allem die Arbeitslosigkeit sinkt." Aber sie sehe nicht, dass Deutschland dafür nun als erstes seine Politik ändern müsse. "Ich glaube, dass es bei der Frage, ob mehr Arbeitsplätze entstehen können, zumindest um sehr viel mehr geht als nur um die Frage, wie viel Geld habe ich für öffentliche Investitionen." Merkel sagte, sie sei zuversichtlich, dass die beiden Regierungen gut zusammenarbeiten werden. Sie warte nun auf die Vorstellungen des neuen Präsidenten.
Die wird ihr Macron vermutlich kommende Woche in Berlin unterbreiten. Macron werde kurz nach der für den 14. Mai geplanten Amtsübergabe nach Deutschland reisen, sagte die EU-Abgeordnete Sylvie Goulard, die als Außenministerin oder sogar Ministerpräsidentin gehandelt wird, dem Sender CNews. Macrons Antrittsbesuch in Deutschland werde seine erste Auslandsreise im neuen Amt sein.
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, er wolle ein Ende des Misstrauens und eine gute Zusammenarbeit. Frankreichs Bürger hätten Macron ihr Vertrauen ausgesprochen, in einer schwierigen Zeit für Europa und die Weltgemeinschaft. Bereits in der Nacht hatte US-Präsident Donald Trump Macron gratuliert und erklärt, er freue sich auf die Kooperation mit ihm.
JUNCKER: FRANZOSEN GEBEN ZUVIEL GELD AUS
Auch die Spitzen der Europäischen Union reagierten erleichtert, dass der Rechtsruck in Frankreich ausgeblieben ist und nicht nach dem Brexit der von Le Pen verfolgte Frexit folgt. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sparte auch nicht mit Ermahnungen. "Die Franzosen geben zuviel Geld aus und geben Geld an der falschen Stelle aus", sagte er in Berlin. Frankreich verwende zwischen 53 und 57 Prozent der Wirtschaftsleistung dafür, die öffentlichen Haushalte zu bedienen. "Bei einem relativ hohen Schuldenstand kann das auf Dauer nicht gutgehen", belehrte er den neuen Staatschef.
Macron hat angekündigt, die Unternehmenssteuer von 33 auf 25 Prozent zu senken. An der 35-Stunden-Woche will er festhalten, die Firmen sollen sie aber flexibler mit den Mitarbeitern aushandeln können. Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. Zugleich sollen 60 Milliarden Euro Staatsausgaben eingespart werden.
Die Linke und Gewerkschaften sehen das kritisch. "Das Programm des neuen Präsidenten mit seinem royalen Gehabe ist bereits bekannt", sagte der Linkspolitiker Jean-Luc Melenchon, der in der ersten Runde den vierten Platz erreicht hatte, am Sonntagabend. "Es ist ein Krieg gegen das soziale System Frankreichs und ökologisch unverantwortlich." Die Gewerkschaft CFDT warnte, Macron dürfe sich den Sorgen der Menschen nicht verschließen. Die radikale FO nannte die Arbeitsmarktreformen einen ersten Test für den neuen Präsidenten.
FAST 150 FESTNAHMEN NACH KRAWALLEN IN WAHLNACHT
In der Wahlnacht nahm die Polizei in Paris nach Krawallen 141 Menschen fest. Sie hätten im Stadtteil Menilmontant im Nordosten Gegenstände auf Polizisten geworfen und Sachen beschädigt. Die Menge habe gegen Macron und Le Pen protestiert.
Macron hat die Stichwahl mit 66 Prozent gegen Le Pen (34 Prozent) gewonnen. Allerdings gingen 25 Prozent der Wahlberechtigten gar nicht zur Abstimmung. Mehr als elf Prozent der Wähler wählten zudem ungültig. Diese hohen Zahlen weisen auf großen Frust und tiefe Enttäuschung in der Bevölkerung.
"Ich bin mir der Wut, des Zweifels und der Angst bewusst, die die Franzosen zum Ausdruck gebracht haben", sagte Macron am Sonntagabend. Er werde daran arbeiten, "Europa und seine Völker" wieder zu versöhnen. Er unterschätze nicht die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Frankreichs. Er werde seine ganze Kraft darauf verwenden, sich des Vertrauens der Franzosen würdig zu erweisen.
Bereits am 11. und 18. Juni steht die Parlamentswahl an, bei der Macron eine eigene Mehrheit erringen will. Obwohl seine Bewegung En Marche erst vor einem Jahr gegründet wurde, könnte das gelingen. Der jüngsten Opinionway-Umfrage zufolge könnten Kandidaten von En Marche 249 bis 286 Sitze holen. Die Konservativen wären mit 200 bis 210 Sitzen zweitstärkste Kraft. Wegen des Mehrheitswahlrechts dürften Sozialisten und Front National keine Rolle spielen.
rtr